Tangenten
sagte sie, ließ ihre Arme theatralisch fallen und blickte sie an. »Diese Hure hatte Mama, und Oliver hat sich gegen sie eingetauscht.«
»Diese Hure«, sagte Reggie, »ist eine reiche alte Hexe.«
»Reiche alte Hurenhexe«, sagte Denver selbstzufrieden.
»Diese Hure ergreift die Gelegenheit beim Schopf«, fuhr Reggie fort und sann nach. »Wie ich höre, lebt sie allein.«
»Darum hat sie Oliver geholt«, sagte Yolanda. Die Babys gurrten und schnieften hinter dem Gatter.
»Weshalb ihn und nicht einen von uns?« fragte Reggie.
Mama stieß die Babys sanft von sich, öffnete das Gatter und marschierte die Diele hinunter. Sie hatte ihren besten Wollrock an, eine bedruckte Bluse und war in ihren Übermantel gegen die sich zusammenziehende Dunkelheit und Kälte draußen gehüllt. »Wohin gehst du?« fragte Yolanda sie, als sie vorbeifegte.
»Zeit, mit der Polizei zu reden«, sagte sie und blickte Reggie finster an. Denver wich ins Schlafzimmer zurück und ging ihr aus dem Weg. Sein Bruder auch. Er schüttelte herablassend den Kopf und grinste: Mama schon wieder.
»Diese Schafsköpfe?« sagte Reggie. »Die haben in Sunside doch nichts zu sagen.«
Mama wandte sich an der Tür um und starrte sie an. »Wie werdet ihr eurem Bruder helfen? Er ist der beste von euch allen, wißt ihr. Ihr steht nur plattfüßig hier rum und haltet Maulaffen feil.«
»Mama ist aufgebracht«, informierte Denver seinen Bruder ernst.
»Wie sollte es anders sein«, sagte Reggie mitfühlend. »Sie wurde von dieser Hurenhexe gefangengehalten. Wir sollten losgehen und Oliver nach Hause holen. Wir könnten uns als Kunden ausgeben.«
»Sie hat keine Kunden mehr«, sagte Denver. »Sie ist zu alt. Sie ist abgenutzt.« Er schaute auf seinen Schoß und neigte den Kopf zur Seite, blickte nachdrücklicher. Sein Blick wurde zum gutmütigen Grinsen.
»Woher weißt du das?« fragte Reggie.
»Ich hab’s gehört.«
Mama schnaubte und öffnete die Riegel und Schlösser an der Vordertür. Reggie ging ruhig hinter ihr her und hielt sie auf. »Polizei ist zu nichts nutze, Mama«, sagte er. »Wir gehen. Wir bringen Oliver zurück.«
Denvers Gesicht wurde beim Gedanken daran grimmig. »Wir müssen es planen«, sagte er. »Wir müssen vorsichtig sein.«
»Wir werden vorsichtig sein«, versicherte Reggie. »Um Mamas willen.«
Mama schnaubte erneut, als seine Hand ihr den Weg versperrte, dann ließ sie die Schultern sinken, und ihr Gesicht wirkte mit einem Mal ausgemergelt. Sie sah nun mehr und mehr wie eine alte Frau aus, obwohl sie erst in den späten Dreißigern war.
Yolanda trat zur Seite, um sie zum Wohnzimmer durchzulassen. »Arme Mama«, sagte sie mit Tränen in den Augen.
»Was hast du vor, für deinen Bruder zu tun?« fragte Reggie seine Schwester beißend, als er an ihr vorbeiging. »Gehen und mit ihm den Platz tauschen, in ihrem Haus arbeiten?« spöttelte er.
»Sie ist reich«, sagte Denver zu sich selbst und rieb sich das Kinn. »Wir könnten eine Menge Geld machen, wenn wir unseren Bruder retten.«
»Wir fangen sofort an, darüber zu beraten«, befahl Reggie und ließ sich auf den Stuhl fallen, der gewöhnlich von ihrem Vater benutzt worden war. Er lehnte den Kopf gegen den Überzug, den Mama gemacht hatte.
Mama, das Gesicht aschfahl, stand an der Couch und starrte auf das Familienporträt, das in einem billigen Holzrahmen an der Wand hing. »Er hat es für mich getan. Ich war so dumm dorthinzugehen, um mir helfen zu lassen. Hätte es wissen müssen«, murmelte sie und griff sich an die Handgelenke. Ihr Gesicht war aschfahl, ihre Knöchel schwankten unter ihr, sie drehte sich, die Hände ausgebreitet wie eine Tänzerin und brach auf der Couch zusammen.
Das Geschenk, das Ding, das Oliver brauchte, um Miss Parkhursts Haus zu erben, war ein goldenes Kästchen mit drei Knöpfen, in der Form eines Garagenöffners. Sie übergab es ihm nach dem Dinner im Eßzimmer.
Es war nett, mit Miss Parkhurst zu reden, etwas, das Oliver nicht erwartet hatte, das er aber hätte wissen müssen. Huren taten mehr, als nur bei den Männern liegen und sie zum Zurückkommen zu bewegen, um ihr Geld auszugeben. Das hätte offensichtlich sein sollen. Der Tag war nicht die Qual gewesen, die er erwartet hatte. Er hatte sogar aufgehört sie zu fragen, ob er gehen könne. Oliver dachte, es wäre am besten, den rechten Zeitpunkt abzuwarten, zu flüchten, wenn etwas sie ablenken würde. Bisher behandelte sie ihn nicht schlecht oder verlangte etwas von ihm, das er
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