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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Reaktion seiner Mutter auf Miss Parkhurst vorstellen.
    Er betrat das Zimmer und schloß zitternd die Tür. Es gab ein Dutzend Dinge, die er sagen wollte; verärgert, frustriert, flehend. Er lehnte sich gegen die Tür, schluckte alles hinunter, hielt seine Hand davon ab, den Türknopf aus Gold und Kristall zu ergreifen.
    Hinter der Tür raschelte ihr Saum, als sie sich durch den Korridor zurückzog. Nach einem Moment stieß er sich von der Tür ab und ging zum Bücherschrank. Miss Parkhurst hätte niemals mit Olivers Schwester Yolanda vorliebgenommen; sie wollte junges Knabenfleisch, dachte er. So wie sie lächelte, wollte sie ihn von Kopf bis zu den Füßen brennen lassen.
    Im Schrank waren Bücher, von denen er gehört, die er aber niemals in der Bibliothek Sleepsides gefunden hatte. Er wollte diese Bücher lesen. Die Bibliothekare sagten, daß nur die Leute von Sunside und den Vororten Lust hatten, zu lesen. Seine Finger verweilten am oberen Ende der Buchrücken und zupften sanft daran.
    Er beschloß zu schlafen. Wenn sie ihn während des Tages quälen wollte, hatte er nicht viel Zeit. Sie könnte ein Spätaufsteher sein, dachte er; ein Nachtmensch.
    Dann wurde ihm bewußt: was immer sie nachts tat, diese Nacht hatte sie es nicht getan. Diese Nacht war für ihn bestimmt gewesen.
    Er erschauerte erneut, dachte an das Essen und die Servietten und die Adlerklauen. Spukte es auch in diesem Raum? Würden die Dinge ihn bewachen?
    Oliver legte sich voll bekleidet aufs Bett. Seine Sinne waren umnebelt von Gedanken an lebendige Leintücher auf seiner bloßen Haut. Er war müde und schlief beinahe sofort ein.
    Die Träume, die kamen, waren süß und erfreulich, und sie kam nicht darin vor. Es war wahrhaftig seine Zeit.
     
    Als die Uhr aus Messing, Gold und Kristall auf dem Bücherschrank elf Uhr anzeigte, streckte Oliver die Beine aus, rieb sein Gesicht in den Kissen, beugte den Rücken und stand auf. Er roch Eier und Speck und Kaffee. Ein verdecktes Tablett wartete auf einem polierten Messingwagen. Eine Vase mit Rosen auf einer Ecke des Wagens erfüllte den Raum mit Wohlgeruch. Ein gefalteter Bogen aus feinem elfenbeinfarbenem Papier lehnte an der Vase. Oliver saß auf dem Rand des Betts und las die Nachricht, die wieder mit goldener Tinte geschrieben war.
     
    Ich warte im Gymnastikraum auf Sie. Treffen Sie mich, nachdem Sie gegessen haben. Habe etwas, was ich Ihnen geben will.
     
    Er hatte keine Ahnung, wo der Gymnastikraum war. Als er sein Frühstück beendet hatte, zog er einen Plüschumhang an, öffnete die schwere Tür zu seinem Zimmer – zugleich erleichtert und verwirrt, daß sie sich nicht von selbst öffnete – und blickte den Korridor hinab. Der Mittag nahte; Sunside-Zeit. Sie hatte ihm reichlich Zeit gegeben, um auszuruhen.
    Schwarze Jeans und ein weißes Seidenhemd lagen auf dem Bett für ihn bereit; sie waren gerade in der Zeit entstanden, in der er durch die Halle geschaut hatte. Vorsichtig, nun jedoch weniger ängstlich, streifte er den Umhang wieder ab, zog die bereitgelegte Kleidung und Hirschledermokassins an, die am Fuß des Betts standen und stellte sich in den Eingang, wobei er sich so lässig wie möglich gegen den Türrahmen lehnte.
    Ein seidenes Taschentuch hing einige Zentimeter vor ihm in der Luft. Es flatterte wie der Geist einer Taube, um seine Aufmerksamkeit zu erheischen. Dann trieb es langsam die Halle entlang. Er folgte.
    Es schien, als ob sich das Haus endlos hinzöge, leer und prächtig. Jeder geöffnete Raum hatte seine eigene Ausstattung, angefüllt mit antiken Einrichtungsgegenständen, eingetopften Palmen, Plüschcouchen und Stühlen. Verschiedene Male dachte er, das Aufblitzen von Smokings und Zylinderhüten zu sehen, angespannte, begierige Gesichter in Foyers, Korridoren und auf Treppenfluchten, während er dem Taschentuch folgte. Das Haus roch nach Parfüm und Staub, Zigarrenrauch, verschüttetem Wein und altem Schweiß.
    Er hatte drei Treppenfluchten genommen, bevor er in der hohen elfenbeinweißen Doppeltür des Gymnastikraums stand. Das Taschentuch verschwand mit einem Schrappen. Die Tür öffnete sich.
    Miss Parkhurst stand auf der anderen Seite eines ausgedehnten schwarzgefliesten Tanzbodens vor einer Bühne mit Notenständern und Instrumenten. Oliver musterte das niedrige halbkreisförmige Podest mit verengten Augen. Würde sie von ihm verlangen, mit ihr zu tanzen, während all die Instrumente von selbst spielten?
    »Guten Morgen«, sagte sie. Sie trug einen grünen Dress

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