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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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suchte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. Da fand er das Wort, wonach er suchte, langte mit dem Finger in den Mund, kratzte an der Innenseite seiner Wange, schmierte die Feuchtigkeit auf die Seite.
    »Nein«, sagte sie. Dann: »Warum…?«
    Tränen waren auf seinen Wangen. Der Mann der trockenen Tinte weinte. Irgendwie machte sie das wütend. »Ich bin nicht einmal ein menschliches Wesen«, sagte er. Sie haßte ihn, haßte seine Schwäche; sie hatte schwache Männer noch nie gemocht. Er änderte seine Lotusposition und ergriff das Wörterbuch mit beiden Händen. »Warum kannst du kein menschliches Wesen für dich finden?« fragte er und blickte zu ihr auf. »Ich bin nichts als ein Traum.«
    Sie hielt die Pistole entschlossen an ihrer Seite. »Was tust du?«
    »Bedürfnis«, sagte er. »Das ist alles, was ich bin. Dein Hunger und dein Bedürfnis. Weißt du, wozu ich gut bin, was ich tun kann? Nein. Du würdest dich fürchten, wüßtest du es. Du hältst mich hier wie ein Bedarfsgut.«
    »Ich wollte, daß du mit mir ausgehst«, sagte sie fest.
    »Was hat die Welt dir angetan, daß du den Wunsch hattest, mich zu erschaffen?«
    »Du bist dabei, ein Weib aus diesem Ding zu machen, nicht wahr?« fragte sie. »Nichts Lohnendes hat sich bisher für mich ereignet, das nicht im gleichen Moment wieder verlorenging…«
    »Bedürfnis«, sagte er und hob die Hände über das Buch. »Du kannst nicht lieben, es sei denn, du hast das Bedürfnis, Miss Regina Abigail Coates. Du kannst nicht das Reale lieben. Das hier. Du mußt das Wesen, das du liebst, ändern, um dich zu erfreuen, und es verdammen, sollte es von dem widerhallen, was in ihm ist. In dir.«
    »Du Wesen«, flüsterte sie mit hochgezogenen Lippen. Webster sah sie und den Lauf der Pistole an, die sie nun auf ihn richtete und lachte.
    »Das brauchst du nicht«, sagte er. »Du brauchst nichts Reales, um einen Traum zu vernichten. Alles, was du brauchst, ist ein wenig Sonnenlicht.«
    Sie senkte die Pistole, hob die Augenbrauen und lächelte mit zusammengebissenen Zähnen. Sie deutete mit dem Zeigefinger ihrer linken Hand, und ihr Gesicht entspannte sich. Teilnahmslos wisperte sie: »Peng.«
    Der Geruch von Druckerschwärze wurde für kurze Zeit intensiver und verschwand dann mit der warmen Brise, die durch das Apartment zog. Sie trat gegen das Wörterbuch, so daß es sich schloß.
    Wie einsam es sein würde, im Dunkeln und nur mit ihrem eigenen Schweiß.
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    Originaltitel: ›WEBSTER‹ • Copyright © 1973 by Greg Bear • Erstmals erschienen in ›ALTERNITIES‹, hrsg. von David Gerrold • Copyright © 1997 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München • Aus dem Amerikanischen übersetzt von Andreas Irle

 
EIN MARSIANISCHER RICORSO
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    Marsianische Nacht. Die Kälte, die Dunkelheit und die Sterne sind so intensiv, daß sie musizieren, wie ein schwaches Klingen von Eisxylophonen. Vielleicht ist es mein Lufttank, der kratzt; vielleicht meine Einbildung. Vielleicht ist es real.
    Am Rande des Swift-Plateau stehend fürchtete ich, mich zu bewegen oder tief zu atmen, als ich in das Helmaufzeichnungsgerät wisperte, aus Furcht etwas Heiliges zu stören: Gottes scharfe Musterung des Edom-Kraters. Ich war rausgegangen, weg von dem Lander und meinen Crewkameraden, um meine Gedanken zu ordnen und darüber nachzudenken, was passiert war.
    Die Marsianer kamen vor erst zwölf Stunden, wie eine Welle von ein Meter fünfzig großen Laborratten, rennend und hüpfend auf ihren dicken, kraftvollen Beinen heran. Für uns sah es so aus, als stürmten sie den Lander und beabsichtigten, ihn umzustürzen. Aber nun schien es, als wären wir einfach nur im Weg gewesen.
    Wir saßen nicht einfach nur da und ließen sie uns überrennen. Wir verletzten oder töteten keinen von ihnen – Cobb schlug mit einer Rolle Folie auf sie ein, und ich benutzte den Schirm der beschädigten Direktantenne, um sie zu verscheuchen. Der erste Kontakt, und wir müssen ausgesehen haben wie Clowns in einer alten Stummfilmkomödie. Die Tragflächen des Seglers waren in der Nähe, so daß sie Gefahr liefen, ernsthaft beschädigt zu werden. Wir dichteten die Risse, die vor dem Anbruch der Nacht entstanden waren mit Folie und Stoff ab. Das sollte ausreichen, wenn der Polymer-Sylar-Klebstoff so gut war, wie angegeben.
    Aber unser Glück auf dieser Expedition hielt, was es versprach. Während der Reparaturarbeiten am gestreckten Rahmen brach die Zange. Wir würden keinem weiteren Schwarm widerstehen

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