Tango der Leidenschaft
habe.“
Isobel starrte Rafael sprachlos an.
„Wenn wir heiraten, gehört die estancia zur Hälfte dir“, fuhr Rafael fort. „Und da ist noch etwas, das du wissen solltest. Laut Vertrag muss ich nur zahlen, was der Besitz damals wert war. Ich werde deinen Eltern aber denn heutigen Wert zahlen. Ich brauche nicht zu sagen, dass wir da über einen Unterschied sprechen, der in die Millionen geht. Ich möchte nicht, dass die Familie meiner Frau in Zukunft finanzielle Sorgen hat.“
Und dann stieß er das Messer noch tiefer in die Wunde. „Wie kannst du dich nur in der Not von deiner Familie abwenden? Wie den Stammsitz deiner Großmutter ablehnen, der doch einmal ihren Kindern gehören soll?“
Isobel zitterte am ganzen Leib. „Verlassen Sie meine Wohnung, Señor Romero. Sie haben gesagt, was Sie sagen wollten. Gehen Sie jetzt.“
Sie trat zur Tür und öffnete sie weit. Zu ihrer Erleichterung entschloss sich Rafael wirklich zu gehen. Auf der Schwelle blieb er noch einmal stehen.
„Ich hole dich morgen Nachmittag ab, Isobel.“
„Gehen Sie“, wiederholte sie fast flehend.
Endlich war er fort. Während sie die Tür schloss, konnte sie noch seine Schritte auf der Treppe hören. Sie lehnte sich gegen die geschlossene Tür und rutschte langsam daran hinunter. Lange Zeit saß sie einfach da und war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig.
Auf der anderen Seite von Paris stand Rafael am Fenster seines halbdunklen Schlafzimmers und blickte auf den Eiffelturm, der wie ein Riesenspielzeug erstrahlte. Er musste zugeben, dass er Isobel mehr und mehr bewunderte. Sie gab einfach nicht auf.
Er war noch nie in so einer Situation gewesen. Es gab also tatsächlich eine Frau, die nichts mit ihm zu tun haben wollte! Dabei war er fest davon überzeugt, dass Isobel ihn begehrte. Und er selbst staunte darüber, wie stark er sich von ihr angezogen fühlte. Er hatte sich kaum noch zurückhalten können. Wie gerne hätte er ihr das Kleid hochgeschoben und ihre glatten Schenkel gestreichelt.
Wenn ihn nicht alles täuschte, war sie noch Jungfrau. Ihre scheue Art, ihr Erröten und ihre verstohlenen Blicke, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, verrieten es.
Dass er bei dem Gedanken ein angenehmes Prickeln verspürte, überraschte ihn selber. Die allgemeinen romantischen Vorstellungen von einer jungfräulichen Braut hatte er nie geteilt. Er gab lieber erfahrenen Frauen den Vorzug, Frauen, die wussten, wie sie ihn verwöhnen konnten.
Allerdings war sein Treueversprechen keine Lüge gewesen. Seit ihrer ersten Begegnung hatte jede andere Frau nur die Erinnerung an Isobel in ihm geweckt. Und der Kuss heute Abend bewies schließlich, wie gut sie zueinander passten.
Lächelnd stützte er sich mit der Hand gegen die Fensterscheibe. Wenn Isobel das auch erst einmal erkannt hatte, würde sie schon einsehen, wie sinnlos jeder Widerstand war.
Das Wetter am Tag darauf passte zu Isobels Stimmung. Es war grau und stürmisch. Die dunklen Ringe unter ihren Augen zeugten von einer schlaflosen Nacht. Gerade war ihr Vermieter da gewesen, und sein Gezeter über ihren vorzeitigen Auszug klang ihr noch in den Ohren. Um ihn zu beruhigen, hatte sie ihm fast ihr ganzes Bargeld in die Hand gedrückt.
Sie rief José, ihren Tanzpartner, an. Ohne lange Erklärungen teilte sie ihm mit, dass sie wegen einer Familienangelegenheit auf unbestimmte Zeit nach Hause fahren müsste. Er bedauerte es, freute sich aber darauf, ihre Klasse zu übernehmen.
Jemand klopfte energisch an die Tür. Mit einem flauen Gefühl im Magen sah sie sich noch einmal in dem Raum um, der für drei glückliche Jahre ihr Zuhause gewesen war.
„Du hast aber nicht viel Gepäck.“ Rafael lehnte lässig auf dem Rücksitz der luxuriösen Limousine, die sie zum Flughafen brachte. Isobel gab sich alle Mühe, sich durch seine Nähe nicht allzu sehr einschüchtern zu lassen. Sie erinnerte sich an den erstaunten Blick, mit dem er ihren kleinen Koffer bedacht hatte, als er sie abholte.
„Nicht jeder muss sein Ego durch Besitz und Reichtum aufpolieren.“
Er lachte leise. „Sehr nobel gedacht. Hast du Angst, ich könnte dich mit meiner materialistischen Lebensart verderben?“
Isobel gab keine Antwort. Mit zusammengepressten Lippen starrte sie aus dem Fenster und beobachtete, wie sie Paris verließen, durch die staubigen Vororte fuhren und schließlich zur Autobahn kamen. Sie hasste es, so dicht neben ihm zu sitzen. Sie hasste es, weil sie ihn so entsetzlich unsympathisch fand und nicht etwa
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