Tango der Leidenschaft
fuchsteufelswild, aber äußerlich gelassen, verlangte er die Rechnung.
Isobel gingen Rafaels Worte nicht aus dem Kopf. Und dann auch noch dieses Armband! Tränen der Wut brannten in ihren Augen.
Plötzlich musste sie an ihre Großmutter denken. Sie hatte ihr damals versprochen, dass die estancia ihr eines Tages gehören würde.
Isobel konnte sich kaum noch an das Gut erinnern. Vor vielen Jahren hatten ihre Großeltern sich dort kennengelernt. Immer wieder erzählte man sich in der Familie ihre romantische Liebesgeschichte.
Obwohl die Ehe von den Familien arrangiert worden war, verliebten sich die Großeltern ineinander, und ihre Liebe machte aus der estancia einen verzauberten Ort. Doch Großmutters Tod raubte dem Großvater später allen Halt. Er begann zu trinken und zu spielen. Die großen Verluste am Spieltisch waren dann der Grund, warum er die estancia verkaufen musste.
Isobel konnte sich noch gut an die Blicke erinnern, mit denen ihr Großvater seine Frau beim Tangotanzen ansah. Schon damals war ihr klar, dass sie selbst einmal nur aus Liebe heiraten würde.
Es gefiel ihr gar nicht, dass eine lästige innere Stimme ihr zuflüsterte, sie hätte immerhin drei Jahre Zeit gehabt hatte, ihrer großen Liebe zu begegnen. Na und? So leicht würde sie ihren Traum nicht aufgeben. Don Rafael Ortega Romero war jedenfalls der Letzte, der für eine Liebesheirat in Betracht kam.
Die Metro erreichte Isobels Station. Sie stieg die Stufen zur Straße hinauf und trat hinaus in den warmen Sommerabend. Und schon wieder spürte sie das entsetzliche Kribbeln, das sie nur zu gut kannte. Und so überraschte es sie nicht, Rafael zu sehen, der lässig an eine Wand gelehnt auf sie wartete.
Isobel würdigte ihn keines Blickes. Mit schnellen Schritten machte sie sich auf den Heimweg. Ihre Unterkunft lag nur ein paar Straßen entfernt. Rafael marschierte wie selbstverständlich mit.
„Eigentlich bist du doch viel zu gut erzogen, um einfach so fortzulaufen.“
„Stimmt. Aber wenn ein Gespräch zur Farce wird, nehme ich mir diese Freiheit.“
„Es gibt nicht viele Frauen, die eine Ehe mit mir als Farce bezeichnen würden. Ich muss gestehen, du bist wirklich einmalig.“
Isobel wich einer alten Dame aus, in die sie beinahe hineingerannt wäre. Rafael fasste sie am Arm, damit sie nicht stolperte. Sofort schüttelte sie seine Hand ab. Dann hatten sie das Haus, in dem sie wohnte, erreicht. Isobel konnte nur hoffen, dass ihre Hand beim Aufschließen der Tür nicht zu sehr zitterte. Dieser Mann verwirrte sie mehr und mehr.
„Lädst du mich noch auf einen Kaffee ein?“, fragte er unbekümmert, nachdem es ihr endlich gelungen war, die Haustür zu öffnen.
„Nein.“
Sie wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, aber er war schneller. „Macht nichts“, meinte er und hinderte die Tür daran, ins Schloss zu fallen. „Ich komme trotzdem mit. Wir haben unser Gespräch nämlich noch nicht beendet.“
Sie war machtlos gegen ihn. Er würde nie klein beigeben. Also trat sie schweigend zur Seite und gab den Weg frei.
Eine Unterkunft wie ihr winziges Appartement war für Rafael sicher neu. Ein alter Garderobenständer, über den sie ein großes Tuch geworfen hatte, war alles, was ihr „Schlafzimmer“ von ihrem „Wohnraum mit Küchenzeile“ trennte.
Sie beeilte sich, Kaffee zu kochen. Je eher sie fertig war, desto eher würde sie ihn wieder los sein. Es entging ihr nicht, dass er sich ausgiebig umschaute. Soll er doch ruhig sehen, wie andere leben, dachte sie mit einer gewissen Befriedigung. Rafael setzte sich auf den einzigen Stuhl, der nicht wackelte.
„Leider nur Instantkaffee“, meinte sie mit gespielter Liebenswürdigkeit und reichte ihm den dampfenden Becher. „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.“
„Keineswegs“, erwiderte er im gleichen Tonfall.
Isobel lehnte mit verschränkten Armen gegen die Arbeitsplatte ihrer kleinen Küche. Rafael ließ sich Zeit. Er nippte an seinem Becher. Dann stellte er ihn auf den niedrigen kleinen Tisch vor sich. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, beugte er sich vor und sah mit einem ironischen Grinsen zu ihr auf. „Willst du mir etwa erzählen, du hättest dem Heiratsvertrag zugestimmt, wenn ich mit einem Blumenstrauß bei dir aufgetaucht wäre und romantische Gefühle geheuchelt hätte? So mit all dem romantischen Drum und Dran?“
„Natürlich nicht“, fauchte sie. „Ich weiß doch, dass Sie kein Herz haben. Sonst würden Sie doch nicht einer so kalten Ehe
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