Tango der Liebe
Freudentränen in den Augen sah sie ihm in das markante Gesicht und erklärte schließlich feierlich: „Er ist wunderschön. Ich liebe ihn, und ich liebe dich.“
Ein zufriedenes Lächeln spielte um Antonios Lippen. Triumphierend musterte er Emily, die auf dem Sitz neben ihm schlief. Von diesem Tag an gehörte sie ihm allein. Sie war jetzt seine Ehefrau.
An einem sonnigen Mittwoch Ende Mai, einen Monat nach seinem Heiratsantrag, waren sie in aller Stille getraut worden. Clive Deveral hatte bereitwillig sein ehemals vornehmes, inzwischen jedoch leicht heruntergekommenes Anwesen für den feierlichen Anlass geöffnet. Die gut fünfzig Gäste, hauptsächlich Angehörige und Freunde der Familie, hatten einstimmig den Empfang zu der wundervollsten Feier des Jahres, die Braut zu einem „Traum in Weiß“ und Antonio zu dem perfekten Bräutigam gekürt.
Señora Diaz …
Schon vor Wochen hatte er seine Beziehungen spielen lassen und auf ihren neuen Namen einen Reisepass beantragt, den Miguel gerade rechtzeitig vor dem Abflug nach Monte Carlo unter Vorlage der Heiratsurkunde abgeholt hatte.
Das Ziel, das Antonio sich bei der ersten Begegnung mit Emily gesteckt hatte, war erreicht. Nun war er mit der Tochter von Charles Fairfax und der Nichte eines höfischen Ritters verheiratet. Nicht dass er persönlich Wert auf Titel legte – im Gegensatz zu ihrem Vater.
Seine Miene verdüsterte sich. Laut Aussage seiner Mutter war seine Halbschwester Suki mit achtzehn von Charles Fairfax während seines Urlaubs in Griechenland verführt worden. Antonio, damals erst elf, hatte in einem Internat gelebt und nichts davon mitbekommen.
Die Enthüllung seiner Mutter hatte ihn schwer getroffen, aber erst in ihrem Nachlass hatte er einen Brief von Charles Fairfax gefunden und das volle Ausmaß der Tragödie erfahren.
Charles Fairfax hatte Suki geschwängert und war nach London zurückgekehrt. Auf ihre Mitteilung von der Schwangerschaft hatte er geantwortet, dass er die Vaterschaft bezweifelte und eine Beziehung mit ihr ohnehin nicht infrage kam. Denn sie war nun einmal die Enkelin einer peruanischen Bordellbesitzerin und die uneheliche Tochter eines Franzosen und einer liederlichen Frau, die sich von einem reichen Griechen ein zweites uneheliches Kind hatte andrehen lassen. Angesichts dieser zweifelhaften Herkunft war es undenkbar, dass der stolze alte Name Fairfax jemals mit dem Namen Diaz in Verbindung gebracht werden könnte.
Fünf Monate nach jener verhängnisvollen Affäre hatte Suki einen Artikel in der ‚Times‘ über die Traumhochzeit von Charles Fairfax und Sara Deveral gelesen und in hoffnungsloser Verzweiflung Selbstmord begangen.
Antonio schüttelte den Kopf, um die düsteren Anwandlungen zu verdrängen. An diesem Tag hatte er das Unrecht, das seiner Familie zugefügt worden war, auf höchst befriedigende Weise gerächt. Emily Fairfax war nun eine Diaz. Gewiss lächelte seine Mutter stolz auf ihn herab, und der versnobte Schuft Charles Fairfax drehte sich garantiert im Grabe um, weil sein edler Name unauslöschlich mit dem schäbigen Namen Diaz verbunden war.
Erneut musterte Antonio die schlafende Gestalt neben sich. Sie war wirklich ausgesprochen hübsch. Wäre sie ihm ohne die leidigen Ereignisse der Vergangenheit begegnet, hätte er sie zwar nicht geheiratet, aber zu einer Geliebten gemacht. Doch so war er froh, dass er sie zur Frau genommen hatte.
Emily war intelligent, wohlerzogen und erfolgreich in ihrem Beruf, und er brauchte nicht zu befürchten, dass sie sich in seine Lebensführung einmischte. Schon gar nicht, wenn sie sein wahres Motiv für die Heirat erfuhr. Doch irgendwie vermittelte ihm die vollzogene Rache nicht die erwartete Genugtuung. Dafür war die Bitterkeit, die ihn seit dem Tod seiner Mutter verzehrte, ein wenig verblasst.
In diesem Moment beschloss er, entgegen seiner bisherigen Absicht, seine wahren Gründe für die Heirat vorläufig nicht zu enthüllen. Ihm reichte das Wissen, dass der am Grab seiner Mutter geleistete Schwur eingehalten war.
Diese moderate Gesinnung mochte daran liegen, dass Emily wirklich entzückend wirkte. Ihre ständigen Liebesschwüre amüsierten ihn, anstatt ihn zu irritieren – auch wenn er argwöhnte, dass die Liebe bei der weiblichen Spezies nur als Ausrede herhalten musste, um sexuelle Betätigung zu rechtfertigen.
Wenn die Liebe überhaupt existierte, dann war sie eine zerstörerische Kraft – wie die allesamt unglücklichen Beziehungen der letzten drei
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