Tango der Liebe
mindestens fünfzehn Meter lang war.
Sie entzog ihm den Arm, wanderte fasziniert herum und vergaß dabei einen Moment lang seine einschüchternde Gegenwart. Eine gewölbte Decke, dunkle schwere Möbel, zahlreiche Gemälde an weißen Wänden und verschiedene Skulpturen in bogenförmigen Nischen erweckten den Eindruck eines Museums. Spanische und indianische Kunstwerke, überwiegend antik und vermutlich allesamt wertvolle Originale, waren in Harmonie mit vergilbten Familienfotos arrangiert worden.
Die Haushälterin servierte Kaffee und Gebäck auf einem wundervoll geschnitzten Tischchen und zog sich diskret wieder zurück.
„Ich hatte ja keine Ahnung, dass dein Haus so alt ist“, bemerkte Emily schließlich. Antonio zog eine Augenbraue hoch und sagte nur: „Setz dich und schenk den Kaffee ein.“
Sie ärgerte sich über die schroffe Aufforderung, gehorchte aber. Automatisch löffelte sie Zucker in seinen Kaffee, denn er mochte ihn schwarz und süß. Ein wenig missmutig verzog sie das Gesicht. Sie wusste viele Kleinigkeiten über ihn, nicht aber die bedeutenden Dinge.
Und ich werde sie auch nicht mehr erfahren, dachte sie traurig, als sie ihm den Kaffee reichte.
„Was deine Bemerkung angeht …“ Er leerte die Tasse in einem Zug, stellte sie auf das Tischchen und trat an den Kamin. „Die Familie Diaz lebt auf diesem Land, seit der erste Sebastian Emanuel Diaz mit den Konquistadoren nach Südamerika kam.“
„Aber du hast mir doch erzählt, dass deine Großmutter enterbt wurde. Wie hast du das Anwesen zurückbekommen?“ Bevor er antworten konnte, fuhr sie sarkastisch fort: „Oh, welch dumme Frage! Bestimmt hast du dem Besitzer ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte.“
„Nein.“ Der Anflug eines Lächelns spielte um seine Lippen. In seine Augen trat ein nostalgischer Ausdruck. „Meine Großmutter hat es getan – dreißig Jahre, nachdem sie von ihrem Vater vor die Tür gesetzt wurde, und ein paar Jahre nach seinem Tod. Mittlerweile hatte ihr älterer Bruder das Familienvermögen verprasst. Sie hat ihm den Besitz abgekauft und hier viele glückliche Jahre verbracht. In den letzten zehn Jahren ihres Lebens haben meine Mutter und ich hier bei ihr gewohnt.“
„Deine Großmutter muss eine bemerkenswerte Frau gewesen sein.“
„Sie war ein getreuer Nachkomme des ursprünglichen Diaz und ebenso mutig wie er. Leider haben meine Mutter und meine Schwester, die liebevoll und gütig waren, nicht ihre Charakterstärke geerbt.“
„Ich hätte nie gedacht …“
„… dass meine Familie viel älter ist als deine, auch wenn sich die uneheliche Linie durchgesetzt hat?“, hakte Antonio spöttisch nach. „Das Leben steckt eben voller Überraschungen.“
Seine Miene wirkte hart. In diesem Moment konnte Emily ihn sich lebhaft als einen der Konquistadoren vorstellen, die vor Jahrhunderten grausam und rücksichtslos in Südamerika eingefallen waren. Ein Schauer rann ihr über den Rücken.
„Und jetzt ist es an der Zeit für so eine Überraschung. Komm mit in mein Arbeitszimmer.“ Er führte sie in einen holzgetäfelten Raum und bedeutete ihr, in einem Ledersessel Platz zu nehmen. Dann schloss er die oberste Schublade eines massiven Schreibtisches auf und holte einen Umschlag heraus.
Sie spürte die Spannung im Raum wachsen, während er den Brief versonnen betrachtete.
Schließlich reichte er ihr den Umschlag. „Lies das.“ Seine Augen glitzerten triumphierend. „Dann nenn mich noch mal einen Lügner, wenn du es wagst.“
Widerstrebend nahm sie den Brief. Der Poststempel war englisch, der Absender ihr Elternhaus in Kensington. Mit einem verblüfften Laut und zitternden Fingern zog sie den Briefbogen heraus und begann zu lesen.
Zwei Minuten später faltete sie den Brief sorgfältig zusammen, schob ihn zurück in den Umschlag und stand auf. „Sehr interessant.“ Sie zwang ein Lächeln auf ihre starren Lippen. „Aber ich möchte ihn mir gern in meinem Zimmer näher ansehen, wenn du nichts dagegen hast. Ich bin müde nach der langen Reise. Wir können beim Dinner darüber reden.“
„Du willst die Fakten also immer noch nicht akzeptieren.“ Er betätigte eine Klingel an der Wand. „Es erstaunt mich immer wieder, wie bemüht das weibliche Geschlecht darum ist, sich unangenehmen Wahrheiten zu entziehen“, spottete er. „Aber wie du willst. Wir essen früh zu Abend – um sieben, aus Rücksicht auf deine Erschöpfung.“
Eine Bedienstete erschien und führte Emily hinaus.
Verwundert
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