Tango der Liebe
blickte Antonio ihnen nach. Anstatt wie von ihm erwartet mit Entsetzen oder zumindest Verblüffung auf den Schuldbeweis zu reagieren, war Emily seelenruhig und eiskalt geblieben.
Aber wieso überraschte ihn das? Einst hatte er seine Mitteilung von der Verfehlung ihres Vaters bereut. Einst hatte er diese leidige Angelegenheit für die einzige Hürde in einer langen erfolgreichen Ehe gehalten. Doch das war lange her. Inzwischen wusste er, dass Emily nicht wirklich daran gelegen war, ihm eine gute Ehefrau zu sein und Kinder von ihm zu bekommen. Seine Geliebte wäre sie dagegen bereitwillig geworden. Im Grunde genommen war sie genauso versnobt wie ihr Vater. Es tat verdammt weh, dass sie in ihm trotz ihrer Unschuld nur ein Sexobjekt sah, das sie nach Belieben benutzte.
Das Zimmer war wunderschön und gewiss nicht Antonios Schlafraum. Denn Dekor und Einrichtung, ganz in Weiß und Pink gehalten, wirkten geradezu mädchenhaft, besonders das Himmelbett mit einem Baldachin aus weißem Musselin und rosa Samtbändern.
Emily legte den Brief auf die Frisierkommode und suchte ihren Koffer, um sich vor dem Dinner zu duschen und umzuziehen.
Das letzte Abendmahl …
Ein Blick in den Kleiderschrank verriet, dass ihre Sachen bereits ordentlich eingeräumt waren. Sie ging in das angrenzende Badezimmer, das mit einer verlockend großen Wanne ausgestattet war. Nach einer schlaflosen Nacht und der Reise um die halbe Welt fühlte Emily sich wirklich erschöpft. Seit sechsunddreißig Stunden war sie nun schon wach, auch wenn es durch die Zeitverschiebung erst später Nachmittag war.
Statt des ersehnten Vollbads entschied sie sich für eine erfrischende Dusche. Dann frisierte sie sich und legte sorgfältig ein dezentes, aber wirkungsvolles Make-up auf, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Sie war keine Schauspielerin, aber sie wollte vor Antonio verbergen, wie weh ihr die bevorstehende Trennung tat. Tief in ihrem Herzen liebte sie ihn immer noch, war aber zu charakterstark, um sich seinen Bedingungen zu fügen, die sie auf lange Sicht nicht verkraften konnte.
Sie wählte ein hellblaues Kleid mit kurzen Ärmeln, eckigem Ausschnitt und knielangem Saum, schlüpfte in silberfarbene Sandaletten und legte den Schmuck mit den Saphiren und Diamanten an. Auf den Ehering verzichtete sie.
Sollte Antonio davon halten, was er wollte.
Um fünf vor sieben ging sie die Treppe hinunter und sah sich verwirrt in der Halle um, denn sie wusste nicht, wo das Esszimmer lag.
Wie auf Stichwort erschien die Haushälterin. „Hier entlang bitte, señora .“
Emily folgte ihr zu einer Tür, holte tief Luft und trat zögernd ein. Am Kopfende eines langen Tisches, der vornehm mit feinstem Batist, Porzellan und Kristall gedeckt war, stand Antonio und blickte ihr entgegen.
Sie wirkten wie Fremde, die einander taxierten.
Er trug einen dunklen Abendanzug und sah von Kopf bis Fuß wie ein stolzer spanischer Aristokrat aus – distanziert, aber verheerend attraktiv. Ihr stockte der Atem, als er ihren Schmuck sah und erstarrte.
Dann glaubte sie, in seinen Augen etwas aufblitzen zu sehen, bevor er die Lider halb senkte und eine ausdruckslose Miene aufsetzte.
„Du siehst hübsch aus wie immer.“ Jetzt rückte er ihr einen Stuhl zurecht. „Bitte nimm Platz.“
Sie setzte sich und wischte sich verstohlen die plötzlich feuchten Handflächen am Kleid ab. Dann drapierte sie sorgfältig die Serviette auf dem Schoß und mied seinen Blick, bis sich ihr Atem wieder beruhigt hatte.
Die folgende Stunde erschien ihr gänzlich unwirklich.
Die Haushälterin servierte einen Gang nach dem anderen. Antonio leerte jedes Mal seinen Teller mit gesundem Appetit. Er gab sich höflich-distanziert, beschränkte das Tischgespräch auf die Gerichte und deren Zubereitung sowie die Vorzüge der dazu gereichten roten und weißen Weine.
Emily hingegen bereitete es Schwierigkeiten, überhaupt einen Bissen zu sich zu nehmen, und ihr Beitrag zur Unterhaltung fiel spärlich und überwiegend einsilbig aus.
„Ein ausgezeichnetes Mahl“, lobte Antonio die Haushälterin, als sie den Kaffee servierte, und daraufhin ging sie mit einem zufriedenen Lächeln hinaus. „Emily, du hast nicht viel gegessen.“ Er fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. „Entspricht die Küche nicht deinem Geschmack? Oder ist dir etwas – oder jemand wie dein Vater – auf den Magen geschlagen?“
Die Schonzeit war also vorbei, und irgendwie erleichterte es sie.
Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er
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