Tango Vitale

Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit eine stark erbliche Komponente aufweisen und deshalb bis ans Lebensende äußerst stabil bleiben. Internationale Langzeitstudien schienen das zu bestätigen. Die im Test abgefragten Bereiche lassen sich in Kurzform wie folgt beschreiben.
     
    |72| 1. Emotionaler Zustand (Neurotizismus). Mit Neurotizismus wird das Erleben von negativen Emotionen erfasst. Personen mit einer hohen Ausprägung sind oft ängstlich, nervös, angespannt und pessimistisch. Diese Empfindungen werden bei ihnen leicht ausgelöst und halten lange an. Den Gegenpol bezeichnet man als »emotionale Stabilität«. Dazu zählen Zufriedenheit und Ich-Stärke. Solche Menschen sind eher ausgeglichen, entspannt und sicher. Sie erleben auch seltener negative Gefühle.
     
    2. Temperament (Extraversion). Menschen mit hohen Extraversionswerten sind gesellig, aktiv, gesprächig, personenorientiert, herzlich, optimistisch und heiter. Ihr Pendant, die Introvertierten, sind zurückhaltend in sozialen Kontakten, können gut alleine sein und lieben die Unabhängigkeit.
     
    3. Offenheit für Erfahrung. Personen mit hohen Offenheitswerten beschreiben sich als wissbegierig und experimentierfreudig. Sie hinterfragen bestehende Normen und bevorzugen Abwechslung. Demgegenüber neigen diejenigen mit niedrigen Offenheitswerten eher zu konventionellem Verhalten und zu konservativen Einstellungen. Sie ziehen Bekanntes und Bewährtes dem Neuen vor.
     
    4. Soziales Verhalten (Verträglichkeit). Ein zentrales Merkmal von Personen mit hohen Verträglichkeitswerten ist ihr Altruismus. Ihrer Umwelt begegnen sie mit Verständnis, Wohlwollen und Mitgefühl. Sie sind kooperativ und geben leicht nach. Im Gegensatz dazu beschreiben sich Personen mit niedrigen Verträglichkeitswerten als misstrauisch gegenüber den Absichten anderer Menschen. Im Zusammenleben verhalten sie sich eher wetteifernd als kooperativ. Sie besitzen die ausgeprägte Fähigkeit, für ihre eigenen Interessen und das, was ihnen wichtig ist, zu kämpfen.
     
    |73| 5. Gewissenhaftigkeit. Personen mit hohen Gewissenhaftigkeitswerten planen sorgfältig. Sie können gut organisieren, handeln effektiv, verantwortlich, zuverlässig und überlegt. Personen mit niedrigen Gewissenhaftigkeitswerten lassen gerne Fünfe gerade sein. Sie handeln eher spontan, lässig und ungenau.
    Bleiben wir, wie wir sind?
    McCraes Ergebnisse sind nicht unumstritten. Manche Forscher bemängeln, dass er zu wenig Faktoren berücksichtigt, oder kritisieren seinen Ansatz, von sprachlichen Begriffen auszugehen. Doch in der Praxis haben sich die Big Five durchaus bewährt. Deshalb wird das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar nach Costa und McCrae (auf Deutsch übersetzt von Borkenau und Ostendorf) bis heute angewandt. Man benutzt es in der Klinischen Psychologie, der Schullaufbahn- und Studienberatung, in der Personal- und Organisationspsychologie.
    Gleichen Sie die fünf Faktoren doch einmal mit Ihrer eigenen Erfahrung ab. Sie werden sicher feststellen, dass es sich tatsächlich um sehr beständige Eigenschaften handelt. Der Nachbarsjunge, der damals so sorgfältig und gewissenhaft seine Fußballbilder eingeklebt hat und nie seine Schulbücher vergaß, plant heute als Erwachsener genauso präzise seinen Urlaub und hält pingelig Ordnung in seinem Werkzeugkasten.
    Die fünf Dimensionen der Persönlichkeit lassen sich auch zur Selbsterkenntnis nutzen. Beständige Eigenschaften haben großen Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Verhalten und somit auch darauf, wie wir unser Leben gestalten. Das wiederum wirkt sich auf unser Schicksal aus. Daher ist es wichtig, die eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu kennen.
    Wenn Sie ein ernsthafter Mensch sind, dann werden Sie trotz größter Anstrengung nicht unbekümmert oder spontan. Wenn Sie das Dasein |74| auf die leichte Schulter nehmen, können Sie sich kaum in eine penible, alle Eventualitäten abwägende Persönlichkeit verwandeln. Quälen Sie sich also nicht mit dem Versuch, Ihre Persönlichkeit völlig umzukrempeln.
     
    Die Optikerin Lara hat damit ihre Erfahrung gemacht: »Ich bin ein ruhiger, nachdenklicher Typ. Es ist noch nicht lange her, da wollte ich liebend gerne wie meine Freundin Kathrin sein. Mit ihrer lebhaften Art steht Kathrin überall im Mittelpunkt. Oft habe ich nach einer Party nachts in meinem Bett vor Frust geheult, weil ich mal wieder unbeachtet blieb, während Kathrin nur zu erscheinen braucht,