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Tango Vitale

Tango Vitale

Titel: Tango Vitale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Wlodarek
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junge Undercover-Polizist, dass er als Bürobote arbeite und nebenbei Drogen verkaufe. Nach einem Treffen forderte der Boss das neue Gang-Mitglied auf, ihn in seinem Auto in die City mitzunehmen. Auf halber Strecke sagte er plötzlich: »So, und jetzt zeig mir mal dein Büro.« Ein Test auf Leben und Tod. Der junge Mann musste die Firma ansteuern, in der zu arbeiten er vorgegeben hatte. Das Fatale war nur: Er hatte sich das Gebäude nie angesehen, und keiner kannte ihn dort. Während er fuhr, versuchte er, seine Angst unter Kontrolle zu bringen. Im Geist spielte er alle möglichen Szenarien durch, aber keines war hilfreich.
    Als er an dem Bürogebäude ankam, war die Zufahrt durch ein elektrisches Tor versperrt, für das man einen Code brauchte. Neben dem Tor stand ein Wachmann. Der Undercover-Polizist zermarterte sich |126| das Hirn, was er ihm erzählen sollte. Er hielt an und wartete kurz. Dann blendete er die Scheinwerfer auf. Und das Wunder geschah: Der Wachmann öffnete das Tor. Direkt vor dem Gebäude war ein zweiter Wachmann postiert. Der junge Mann hielt direkt neben ihm, kurbelte die Scheibe herunter und fragte: »Ist John da?« Der Trick funktionierte. Gelangweilt sagte der Wachmann: »Keine Ahnung, geh rein und guck nach.« Inzwischen fand der Drogenboss, dass er genug gesehen hatte. Der Junge war sauber. Er knurrte: »Okay, fahren wir weiter.«
    Dies ist keine Szene aus einem Action-Film, sondern ein wahres Erlebnis. Der Israeli Nisso Shacham hat es der Journalistin Amanda Ripley vom
Time Magazine
erzählt, die ihn für ihre Recherchen zum Verhalten bei Katastrophen interviewte. 37
    Schließen Sie doch mal die Augen und stellen Sie sich die Szene mit Ihnen in der Hauptrolle vor. Wie hätten Sie sich in so einer brenzligen Situation verhalten? Die meisten von uns hätten vermutlich schon vor dem Einfahrtstor mit ihrem Leben abgeschlossen und zitternd um ein Wunder gebetet. Shacham dagegen verhielt sich äußert kaltblütig, obwohl er Angst hatte. Er erwies sich in einer lebensgefährlichen Situation als belastbar. Da stellt sich die Frage: Woran liegt es, dass ein Mensch auch in höchster Gefahr souverän reagiert – und lässt sich das möglicherweise erlernen?
    Selbstvertrauen in Krisensituationen
    Sicherlich spielt in puncto Belastbarkeit das Naturell eine Rolle. Wenn ich Sie an die Big Five erinnern darf: Menschen mit einer hohen emotionalen Stabilität sind weniger schnell aus der Bahn zu werfen als solche, die offenbar schon von Hause aus ein schwaches Nervenkostüm haben. Doch wie im Falle der Genetik sind auch hier die angeborenen Eigenschaften nur die halbe Miete. Studien haben ergeben, dass vor allem ein großes Selbstvertrauen die Chance erhöht, in Krisensituationen |127| ruhig Blut zu bewahren und sich optimal zu verhalten.
    Wie entscheidend das Vertrauen in die eigene Kraft gerade in besonders kritischen und gefährlichen Situationen ist, belegt der Extrembergsteiger Alexander Huber, der ohne Seil und Sicherung klettert – eine selbst gewählte lebensgefährliche Situation. Es gibt ein Foto von ihm, auf dem er an einer senkrechten, glatten Felswand in 200 Metern Höhe hängt, ohne Ausrüstung, die Fußspitzen mit den Kletterschuhen auf einem für das bloße Auge kaum sichtbaren Vorsprung, die Hände in eine schmale Spalte gekrallt. Huber ist zwar ein versierter Stratege und bereitet seine Aufstiege akribisch vor, doch das Entscheidende ist für ihn jedes Mal der Glaube daran, dass er der Aufgabe gewachsen ist. Über seinen Aufstieg am Schleierwasserfall in Tirol, der zum Härtesten gehört, was je im Free Solo geklettert wurde, sagt er: »Die Chance, dass ich abstürzte, lag bei eins zu tausend. Und zwar deshalb, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass ich runterfalle. Da war mein Selbstvertrauen riesig.« 38
    Selbstvertrauen ist nicht angeboren, sondern wird im Laufe des Lebens erworben. Damit ist es im Prinzip jedem von uns möglich, sich erfolgreich darum zu bemühen. Der Kern von Selbstvertrauen ist der Glaube daran, dass man kein armes Opfer ist, sondern die Fähigkeit besitzt, das Geschehen zu beeinflussen. Genau diese Haltung kann man einüben.
    Vom Opfer-Modus zur Selbstbestimmung
    Über 20 Jahre lang suchte der amerikanische Psychotherapeut Gary Emery nach einer Methode, die seinen Klienten schnell und effektiv helfen könnte, ihre Probleme zu lösen. Schließlich entdeckte er sie, zusammen mit seinem Kollegen James Campbell. Die Kernbotschaft dieser wirkungsvollen

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