Tango Vitale
Vorurteile und Glaubenssätze meist bestätigen, einen passenden Namen. Besonders praktisch hat der Erfinder und Industrielle Henry Ford den Effekt der sich selbsterfüllenden Prophezeiungen auf den Punkt gebracht, indem er sagte: »Ob Sie glauben, Sie können etwas, oder ob Sie glauben, Sie können etwas nicht – Sie behalten in jedem Fall Recht.«
Was erwarten Sie?
Denken Sie an Ereignisse, die demnächst bei Ihnen anstehen, und überlegen Sie, was Sie erwarten. Sie werden merken, dass Sie durchaus eine ziemlich feste Vorstellung davon haben, was auf Sie zukommt. Was glauben Sie, wie wird Ihr nächstes Wochenende? Oder die Einweihungsparty Ihrer Freunde? Wie geht wohl Ihr Bewerbungsgespräch |134| aus? Wie wird das erste Date mit Ihrer Internet-Bekanntschaft?
Dass wir Erwartungen hinsichtlich einer Situation oder einer Begegnung entwickeln, ist typisch menschlich und liegt an unserem Bedürfnis nach Sicherheit. Indem wir vorwegnehmen, was uns passieren könnte, behalten wir scheinbar die Kontrolle, denn dann ist es uns möglich, uns darauf einzustellen. Im Geiste entwerfen wir unser Schicksal. Peter H. Ludwig, Professor für Erziehungswissenschaften und Experte zum Thema selbsterfüllende Prophezeiungen, erklärt das so: »Erwartungen lösen die Spannung, immer auf alles gefasst sein zu müssen. Denn die Haltung, ständig alles für möglich zu halten, würde das Bewusstsein überstrapazieren. Erwartungen sind vereinfachende Formeln, die es überhaupt erst ermöglichen, die Flut von Umwelteindrücken zu verarbeiten.« 40
Nur, an was orientieren wir uns denn eigentlich bei unseren Erwartungen? An unseren bisherigen Erfahrungen? Auf den ersten Blick leuchtet das ein. Wenn Sie sich schon ein paar Mal auf einer Party zu Tode gelangweilt haben oder im Bewerbungsgespräch erfolgreich waren, dann übertragen Sie das vermutlich auf das nächste Ereignis dieser Art. Was uns aber meist nicht bewusst ist: Unsere Erfahrungen, auch die in der Vergangenheit, sind weniger objektiv von außen vorgegeben, als wir glauben.
Das heimliche Drehbuch, nach dem wir unsere Erlebnisse gestalten, ist unser Selbstkonzept. Darunter versteht man sämtliche stabilen Vorstellungen, die wir von unserer Person haben. Kurz gesagt enthält unser Selbstkonzept alles, was wir dauerhaft über uns denken. Auch wenn wir nicht ständig über uns nachgrübeln, haben wir eine ziemlich feste Meinung von uns. Testen Sie doch selbst einmal, wie präzise Sie zum Beispiel die folgenden Fragen für sich beantworten können: Sind Sie intelligent? Glauben Sie, dass Sie für das andere Geschlecht attraktiv sind? Sind Sie liebenswert? Sind Sie mit Ihrer Arbeit meistens erfolgreich? Meinen Sie, dass Sie anderen Menschen etwas bedeuten? |135| Kommen Sie bei Krankheiten wie einer Grippe schnell wieder auf die Beine? Sind Sie für andere eine gute Freundin oder ein guter Freund? Sind Sie diszipliniert oder eher lässig? Finden Sie sich schön? Halten Sie sich für kreativ? Sind Sie hilfsbereit? Wie steht es mit Ihrem handwerklichen Geschick? Sind Sie sprachbegabt?
Das ist nur eine kleine Auswahl von Fragen, die Hinweise darauf geben können, welches Bild Sie von sich haben. So ein Selbstkonzept entsteht nicht von heute auf morgen, sondern hat sich langfristig durch den Einfluss der sozialen Umwelt entwickelt. Dabei spielt eine große Rolle, wie wir während der besonders prägenden Zeit in Kindheit und Jugend gesehen und behandelt wurden. Weil wir in frühen Jahren dem Urteil der anderen wenig entgegensetzen können, halten wir ihre Meinung für die reine Wahrheit und verinnerlichen sie in unserem eigenen Glaubenssystem. Einleuchtend, dass sich eine liebevolle, unterstützende Umgebung positiv auf unser Selbstkonzept auswirkt, während eine abwertende Haltung entsprechend negative Folgen hat. Dabei übernehmen wir nicht nur einfach die Einstellung, die uns vermittelt wird, sondern verhalten uns auf die Dauer auch so, wie es von uns erwartet wird. Ein Kind, das immer wieder hört, dass es zwei linke Hände hat, wird sich über kurz oder lang entsprechend ungeschickt benehmen.
Das Pygmalion-Experiment
Wie stark das Urteil der Umwelt das eigene Verhalten beeinflusst, bewies Professor Robert Rosenthal an der Harvard-Universität in Cambridge bereits in den 60er Jahren mit seinem berühmten Pygmalion-Experiment. Rosenthal und seine Mitarbeiter vermuteten, dass die Erwartung von Pädagogen die Leistung ihrer Schüler beeinflusst. Um das zu überprüfen, teilte man den
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