Tannöd
Dachboden zum Mich steigt er hoch, der Alte. Mich hält
den Atem an. Eine Hand fest um das Messer in der Tasche, steht er
da. Hinter dem Kamin. Im Rücken des Bauern. Nach dessen
Schulter könnte er greifen. Der Danner steht keine
Armlänge von ihm entfernt auf der Bodentreppe. Versucht mit
seiner Lampe, einer dünnen Funsel, die Dunkelheit auf dem
Dachboden zu erhellen.
Er bemerkt weder das auf dem
Zwischenboden verstreute Stroh, noch den Strick, der bereit
hängt. Der Mich wartet den ganzen Tag. Er hat Zeit. Er
weiß genau, wo die Tannöder ihr Geld verstecken. Er hat
sich seinen Plan bis aufs Kleinste zurechtgelegt. Läuft alles
so, wie er es sich dachte, könnte er ungesehen das Haus
verlassen. Wenn nicht? Mich zuckt bei diesem Gedanken mit der
Schulter, er schreckt auch nicht davor zurück Gewalt
anzuwenden. Gewalt gehört zu seinem »Beruf«. Er
wird es auf sich zukommen lassen.
Hansl Hauer 13 Jahre, Sohn des Georg Hauer
Am Dienstag war's, wie die Tante
zu mir gesagt hat, ich soll zum Danner rüberlaufen. »Von
denen drüben hört und sieht man nichts«, hat sie zu
mir gesagt. »Vielleicht ist was passiert und sie brauchen
Hilfe?«
Da bin ich halt
rübergelaufen.
Ich denk, das war so gegen drei
Uhr. Sicher bin ich mir aber nicht.
Bei den Tannödern war keiner
auf dem Hof zu sehen, da hab ich halt an der Haustüre
geklopft. Richtig fest geklopft hab ich und an der Tür
gerüttelt, aber die war versperrt und aufgemacht hat auch
keiner. So bin ich dann ums Haus rum. In alle Fenster hab ich
reingeschaut. Hab aber nichts sehen können. Ganz verlassen hat
der Hof ausgeschaut. So, als ob keiner da wäre.
Der Hund, den hab ich gehört.
Ganz erbärmlich gewinselt hat der und aus dem Stall, da hab
ich das Vieh brüllen hören. Wie toll habens geschrien die
Küh. In den Stall hab ich aber nicht rein können, weil
die Türe von innen versperrt war.
Durch das alte Maschinenhäusl
kann man auch in den Stall, das weiß ich. Da geht einer
zuerst durch den Stadel durch und hinten links ist eine
Holztür rüber in den Stall.
Die Tür vom
Maschinenhäusl war sogar offen. Richtig sperrangelweit offen
ist die gestanden, aber rein getraut hab ich mich nicht.
Ich bin nur an der Tür
gestanden und hab gerufen. Nach der Barbara und der Marianne hab
ich gerufen. Hat aber keiner geantwortet und reingehen wollte ich
nicht. Da hab ich viel zu viel Schiss gehabt, weil das Vieh doch so
geschrien hat und alles so anders war als sonst. So
verlassen.
Ich hab eine richtige
Gänsehaut gekriegt, so unheimlich ist mir
worden.
»Da stimmt was nicht«,
hab ich mir immer nur gedacht. Mir war, als würde eine Glocke
in meinem Kopf läuten. Wie eine Alarmglocke, wenn die
Feuerwehr ausrückt. Deshalb bin ich ganz schnell nach Hause
gelaufen und hab's der Tante und dem Vater erzählt. Der Vater
hat gesagt, ich soll den Sterzer holen, denn alleine geht er auch
nicht auf den Hof. Da bin ich gleich weiter, rüber zum Sterzer
nach Obertannöd.
Dem Sterzer seine Dagmar ist mit
ihrer Mutter herau-ßen im Garten gewesen. Da habens
gearbeitet. Schon von weitem hab ich gerufen, weil ich so aufgeregt
war. Ob der Oberöder zu Hause ist, hab ich gerufen und der ist
auch gleich aus der Haustür raus. Ich hab ihm gesagt, dass
beim Danner was nicht stimmt.
Keiner ist zu Hause und der Hund
winselt so und das Vieh brüllt im Stall. Der Vater hat gesagt,
ich soll ihn holen, damit er mit dem Vater nachschauen kann. Denn
alleine will das der Vater nicht. Der Sterzer hat gleich nach dem
Alois gerufen. Der Lois ist der Knecht auf dem Hof vom Sterzer und
der Verlobte von der Dagmar.
Ich bin mit dem Oberöder und
dem Lois rüber nach Tannöd zum Danner sein
Hof.
Kurz vorm Haus war's, da haben wir
den Vater getroffen. Gewartet hat er da auf den Sterzer. Mit uns
ist er weiter zum Danner rauf. Dort haben wir sie dann gefunden.
Ich ja nicht, weil der Vater hat mich nicht ins Haus reinlassen. Er
hat gesagt, ich soll draußen bleiben. Wie dann der Sterzer
und der Lois ganz kreidebleich aus dem Stadel wieder raus sind, da
war ich recht froh, dass ich nicht mit rein bin.
Der Vater hat gesagt, ich soll ins
Dorf, »beim Bürgermeister sollens die Gendarm
anrufen«. Das hab ich dann auch gemacht.
Johann
Sterzer 52 Jahre, Bauer von Obertannöd
In der Stuben bin ich gesessen.
Den Hansl hab ich schon durch das Fenster gesehen. Mit den Armen
hat der gefuchtelt und gerufen hat er immer was. Ich habe mir
gleich gedacht, da muss was passiert sein. Hab aber
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