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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schenkel
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sich können. Vor dem Häusl hat er sich mit dem Rücken zur Wand
auf den Boden fallen lassen. Ich habe mich neben ihn auf die Erde
gesetzt. Doch der Hauer, der mir aus dem Stadel gefolgt war,
drängte uns. Wir sollten versuchen, vom Stadel ins Haus zu
gelangen.
    Ich hab nicht mehr können,
war am Ende mit meiner Kraft und gezittert hab ich auch am ganzen
Leib. So unsagbar elend war mir zu Mute.
    Der Hauer, er ließ nicht
locker. Er drängte uns, setzte uns fürchterlich
zu.
    »Wir müssen ins Haus.
Wir müssen nachschauen, was geschehen ist.« Hat er immer
wieder gesagt. Der Lois und ich, wir blieben jedoch auf dem Boden
hocken. Da ist der Hauer schließlich alleine zurück in
den Stadel.
    Von dort, so hat er uns
später erzählt, ist er durch den Stall hinüber ins
Wohnhaus.
    Nach einigen Minuten hörten
wir, wie die Haustüre aufgesperrt wurde.
    In der Zwischenzeit hatten wir uns
wieder soweit gefasst, dass wir in der Lage waren, aufzustehen. Der
Hauer forderte uns erneut auf, mit ins Haus zu gehen. Und weil wir
nun nicht mehr durch den Stadel, vorbei an den Toten mussten, gaben
wir schließlich seinem Drängen nach und sind mit ihm ins
Haus gegangen.
    Auf dem Tisch in der Küche
stand noch ein Glas. Alles sah aus, als ob der Raum gerade
eben erst verlassen worden wäre. Als käme gleich wieder
einer in das Zimmer zurück. 

 
    Alois Huber 25 Jahre
    Wer weiß, wäre ich nicht
gestolpert, hätten wir sie vielleicht gar nicht so schnell
gefunden. Im Stadel war fast kein Licht. Das Tageslicht, das durch
die offene Stalltüre in den Stadel fiel, reichte nicht aus,
den Raum auch nur ein wenig heller zu machen. Zuerst dachte ich
noch, ich bin über einen Stock, ein Stück Holz, halt
irgendeinen größeren Gegenstand gefallen. Es dauerte
einige Zeit, bis ich begriff. Der Bauer und ich, wir standen nur
da. Wäre der Hauer nicht dabei gewesen, hätte der das
Stroh nicht zur Seite geräumt. Ich glaube, wir wären ewig
dagestanden, einfach nur dagestanden, unfähig, uns zu bewegen.
Wie ich die toten Körper gesehen habe, ist mir schlecht
geworden.
    Nicht, dass ich so leicht aus der
Fassung zu bringen bin. Im Krieg hab ich mehr als genug gesehen,
das können Sie mir ruhig glauben. Jeder, der im Krieg war, hat
genügend Tote gesehen, sodass es eigentlich für ein
ganzes Leben reichen müsste.
    Aber so etwas, wie die zugerichtet
waren. Ich hatte sie doch alle gekannt, das waren doch keine
Fremden, das waren doch Menschen, mit denen man Tag für Tag
zusammengekommen ist.
    Ich habe sie mir nicht anschauen
können. Ich bin raus aus dem Stadel und habe mich vor dem
Maschinenhäusl übergeben.
    Alles Weitere passierte, als
wäre die Welt um mich herum stehen geblieben. Das Einzige, das
ich noch fühlte, war dieser Abscheu, dieses Grauen. Der, der
das getan hat, der kann doch kein Mensch sein. Ein Teufel ist das.
Von hier kann das keiner sein, bei uns gibt es keine solchen
Ungeheuer.
    Hätte der Hauer nicht so
gedrängt und gehetzt, ich wäre niemals in das Haus
gegangen, um die anderen zu suchen. Niemals in meinem Leben. Der
Hauer hat uns ja immer wieder angetrieben. Wie die Lämmer zur
Schlachtbank sind wir ihm gefolgt. Er hat die Nerven nicht
verloren, eigentlich fast unglaublich. Der war nicht so kopflos wie
wir, der Sterzer und ich. Der war sehr beherrscht, besonnen in
allem, was er tat. Dabei kannte der doch den Danner und seine
Familie am besten. Der war doch fast so was wie ein Schwiegersohn.
Der war doch der Vater von dem kleinen Josef.
    Ich an seiner Stelle hätte
mich nicht so im Griff gehabt. In keinem Moment hat der die Nerven
verloren. Ich hab ihn dafür sogar ein bisschen bewundert, so
beherrscht wie der war. Fast kaltblütig. Auch ich habe schon
einiges in meinem Leben erlebt, damals unterm Adolf, da haben sie
uns Burschen mit fünfzehn Jahren noch eingezogen. In eine
Uniform haben
die uns gesteckt, ein Gewehr in die Hand gedrückt und gesagt,
wir sollen auf den Feind schießen. Auf den Feind. Dass ich
nicht lache. Der Feind waren alte Männer und Frauen mit
Kindern, auf die hätte ich schießen sollen.
    Ich war in Regenberg stationiert
und der Ami hatte die ganze Stadt schon eingekesselt. Damals hat es
geheißen, verteidigen bis zum letzten Mann. Lieber tot, als
dem Feind in die Hände fallen. So ein Schmarren, war doch eh
alles schon den Bach runter. Eine Gruppe von Alten und Frauen mit
ihren Kindern ist durch die Stadt gezogen. Sie wollten, dass die
Stadt kampflos übergeben wird. Nur Alte, Frauen und

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