Tannöd
deinem
kostbaren Blute erlöst hast.«
Ihr altes, abgegriffenes Gebetbuch
in der Hand. Allein ist sie, alleine mit sich und ihren Gedanken.
Barbara ist hinaus in den Stall, will noch mal nach dem Vieh sehen.
Ihr Mann ist bereits zu Bett. Genau wie die Kinder und die neue
Magd. Diese Zeit am Abend ist ihr kostbarstes Gut. Sie sitzt in der
Küche, den Myrtenkranz in der Hand. Abgegriffen ist das
Gebetbuch. Damals vor vielen Jahren, vor einem ganzen Leben, hat
sie den Brautführer zur Hochzeit bekommen, wie es Brauch war.
Ein Andachtsbuch für die christliche Frau. Wer weiß,
hätte sie dieses Leben ohne den Trost und die Gnade Gottes und
der Gottesmutter leben können? Dieses Leben voller
Demütigungen, Erniedrigungen und Schläge. Nur der Trost,
den sie im Glauben gefunden hatte, hielt sie aufrecht. Aufrecht die
ganzen Jahre. Wem hätte sie sich anvertrauen können? Ihre
Mutter starb während des Ersten Weltkriegs. Ihr Vater kurz
danach, zu der Zeit, als ihr späterer Mann als Knecht auf den
Hof kam.
Mit seinem Kommen erlebte sie zum
ersten Mal, dass ihr jemand ein bisschen Aufmerksamkeit schenkte.
Diese Aufmerksamkeit war Labsal für ihre Seele. Ihr gesamtes
Leben war, bis zu diesem Zeitpunkt, bestimmt gewesen durch Arbeit
und die tiefe Gläubigkeit ihrer Eltern.
Sie wuchs in einer kalten,
bigotten Umgebung auf. Keine Zärtlichkeit, keine sanfte
Umarmung, in der ihre Seele sich hätte wärmen
können, kein mildes Wort. Das Leben, das sie führte, war
geprägt vom Rhythmus der Jahreszeiten und der damit
verbundenen Verrichtungen auf dem Hof, sowie vom im strengen
Glauben umgrenzten Leben ihrer Eltern. Diese geistige Enge war fast
körperlich zu spüren. Da kam ihr späterer Mann als
Knecht auf den Hof. Sie, die nie besonders hübsch war, wurde
von diesem gut aussehenden Mann begehrt. Von Anfang an war ihr in
ihrem Innersten klar gewesen, der Grund für dieses Begehren
war weniger sie, die unscheinbare, kleine, bereits welkende Person.
Eine alte Jungfer, 32 Jahre, noch nicht verheiratet. Er,
groß, stattlich, noch keine 27. Trotzdem war sie blind
dafür, dass er nach dem Hof und nicht nach ihrem Körper
gierte. Willigte wider besseres Wissen ein, heiratete. Schon kurz
nach der Hochzeit veränderte er sich. Zeigte sein wahres
Gesicht. War grob zu ihr, beleidigte sie, schlug sie sogar, wenn
sie ihm nicht zu Willen war. Sie ließ alles klaglos über
sich ergehen. Keiner könnte das verstehen, aber sie liebte
diesen Mann, sie liebte ihn sogar, wenn er sie schlug. Sie war
abhängig von jedem Wort, das er sprach, von jeder seiner
Handlungen. Egal, wie hartherzig und roh er sich zeigte. Als sie
schwanger wurde, waren seine Brutalitäten kaum noch zu
ertragen, er demütigte sie, wo er nur konnte. Betrog sie mit
der damaligen Magd offen vor jedermanns Augen. Es war das erste
Mal, dass sie aus dem Schlafzimmer ausziehen und in der Kammer
schlafen musste, weil eine andere ihren Platz eingenommen hatte.
Sie war ihm verfallen, ihm Untertan, ihm hörig. Ihr ganzes
weiteres Leben. Barbara, ihre Tochter, kam während der
Kartoffelernte auf dem Feld zur Welt.
Er gönnte ihr, der
Gebärenden, nicht einmal den Vorzug einer Niederkunft in ihrem
eigenen Bett. Am Morgen, als sie bereits die ersten Wehen
spürte, trieb er sie mit den anderen hinaus aufs Feld. Sie
krümmte sich vor Schmerz und als bereits das Blut ihre Beine
hinablief und das Kind mit aller Gewalt aus ihrem Körper
hinaus wollte, gebar sie diesen kleinen Wurm am Rande des Ackers. Entließ
ihn hier unter freiem Himmel ins Leben.
Auch in den Tagen nach der
Niederkunft trieb er sie an. Fand sie keine Ruhe.
Die Magd ging und sie zog wieder
in ihr Schlafzimmer ein. War ihm wieder zu Willen. Klaglos. Sie
kannte es nicht anders.
Die Mägde kamen und gingen.
Die wenigsten blieben lange. Mit der Zeit wurde ihr Mann ruhiger,
so dachte sie. Sie hatte sich in ihr Schicksal gefügt.
Barbara, ihre Tochter, wuchs heran. Sie liebte ihren Vater
abgöttisch und zu ihr war er voll Hingabe und
Zärtlichkeit. Sie war zwölf, als ihr Vater sich zum
ersten Mal an ihr verging. Ihre Mutter brauchte eine Zeit, bis sie
die Veränderung an ihrer Tochter bemerkte. Sie wollte den
Missbrauch an ihrer eigenen Tochter nicht sehen. Wollte es nicht
wahrhaben. War zu schwach, sich von ihrem Mann zu lösen, wo
hätte sie auch hin sollen. Sein Verhalten brachte ihr den
Vorteil seines völligen Desinteresses an ihr. Je mehr seine
Tochter zur Frau heranwuchs, desto weniger war er am Beischlaf mit
seiner Frau
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