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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schenkel
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interessiert. Ihr war das nur recht.
    So schwieg sie. Ihr Mann konnte
tun und lassen was er wollte, er stieß nie auf Widerstand.
Nur einmal, damals die kleine Polin, die als Fremdarbeiterin auf
dem Hof war, diese entzog sich ihm. Ihr, seiner Frau, war dieser
Weg verwehrt.
    Sie hatte ein hartes Leben gelebt.
Ein Leben voller Entbehrung und Erniedrigung, aber sie konnte sich
diesem Leben nicht entziehen. Sie musste diesen Weg zu Ende gehen
und sie würde den bitteren Krug bis zum Ende leeren. Das
wusste sie. Es war die Prüfung, die ihr der Herr auferlegt
hatte.
    Komisch, das polnische
Mädchen war ihr heute schon häufiger in den Sinn
gekommen. Wie ein Schatten war sie durch ihre Erinnerung
gehuscht. Jahrelang hatte sie nicht mehr an die Fremdarbeiterin
gedacht. Die alte Frau legt ihr Gebetbuch
beiseite.
    Sie blickt durch das Fenster in
die dunkle, stürmische Nacht.
    Ihr Mann hat heute den ganzen Tag
nach dem Lumpen gesucht, der gestern versucht hatte, in den Hof
einzudringen. Sie hat in der vorangegangenen Nacht Schritte
gehört. Als ob einer »umginge«. Ihr Mann hatte
nichts gefunden und den ganzen Tag war es ruhig
geblieben.
    »Der Lump wird das Weite
gesucht haben«, hatte er zu ihnen gesagt.
    »Fehlen tut nichts, hab
alles abgesucht. Ich sperr den Hund heut Nacht in den Stadel, an
dem kommt keiner vorbei. Das Gewehr stelle ich neben mein
Bett.«
    Seine Worte hatten sie alle
beruhigt. Sie fühlte sich sicher, wie sie sich ihr ganzes
Leben auf diesem Hof sicher gefühlt hatte.
    Barbara wollte noch mal hinaus in
den Stall, »nachschauen, ob alles seine Ordnung hat«.
Wo sie nur bleibt, die Barbara. Sie müsste längst
zurück sein. Sie würde aufstehen und nachsehen.
Schwerfällig steht sie vom Tisch auf. Sie nimmt das Gebetbuch,
legt es in das Küchenbüfett. Geht hinaus, hinüber in
den Stall.
    Unruhig wälzt sich der alte
Danner in seinem Bett hin und her. Der Schlaf will und will sich
heute nicht einstellen.
    Er versucht es, aber der Wind, der
unaufhörlich durch die Ritzen des Fensters pfeift, lässt
ihn nicht zur Ruhe kommen.
    Das ganze Haus hat er heute auf
den Kopf gestellt. Ihm gehen die Fußspuren nicht aus dem
Kopf. Fußspuren, die zum Haus hinführen. Im Neuschnee
hat er sie am Morgen deutlich sehen können, ehe der Regen sie
verwischte.
    In allen Ecken und Winkeln des
Hauses hat er nachgesehen. Gefunden hat er nichts. Er ist sich
sicher, keiner kann sich vor ihm auf dem Anwesen verstecken. Dies
hier ist sein Reich.
    Er hat das Schloss am
Maschinenhäusl repariert. Der Lump wird ums Haus rum sein und
sich in Richtung Wald aus dem Staub gemacht haben. Er kann nur
diesen Weg genommen haben. Sonst hätte er weitere Spuren
finden müssen.   
    Am Abend hat er noch einmal das
ganze Anwesen durchsucht. Dabei fiel ihm die kaputte Glühbirne
im Stall auf. Er wird eine neue besorgen müssen. Bis dahin
werden sie sich wieder mit den alten Petroleumlampen behelfen. So
gut es eben geht.     
    Die neue Magd sieht aus, als
könnte sie gut zupacken. Das kann er gebrauchen. Er braucht
keine, die sich vor der Arbeit fürchtet. Für die Barbara
und ihn allein ist die Arbeit am Hof zuviel. Zumindest über
den Sommer. Im Winter kommt man schon einigermaßen über
die Runden.
    Es wurde immer schwerer, Knechte
und Mägde für die Landwirtschaft zu gewinnen. Die meisten
versuchen ihr Glück in der Stadt. Der bessere Verdienst und
die leichtere Arbeit locken.
    Stadtleben, das ist nichts
für ihn. Er muss frei sein. Sein eigener Herr sein. Niemand
kann über ihn bestimmen. Er ist das Maß aller Dinge
hier. Hier auf dem Hof ist er der Herrgott. Da kann sein Weib noch
soviel beten. Je älter sie wird, umso bigotter wird sie. Was
treibt diese Alte überhaupt so lange? Sitzt die halbe Nacht
betend unter dem Kruzifix und verschwendet das teure Licht. Er muss
aufstehen und nachsehen. Strumpfsockig, nur mit dem Nachtgewand und
einer langen Unterhose bekleidet, schlüpft er in seine
hölzernen Latschen. Schlurft über den steinernen Flur in
die Küche.
    Die Tür zum Nebenraum steht
offen. »Was soll das? Was wollen diese Weiber um diese Zeit
im Stall? Um alles muss man sich selber kümmern.«
Verärgert geht er hinein und von dort weiter, hinüber in
den Stall.
    Den ganzen Tag über
beobachtet der Mich das Treiben auf dem Hof von seinem Platz aus.
Er sieht den Tannöder, wie dieser die Spuren des Einbruchs
bemerkt. Ein Kinderspiel ist es für ihn, dem Alten aus dem Weg
zu gehen.
    Der sucht das ganze Haus ab. Sogar
auf den

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