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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schenkel
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müssen Sie sich mal vorstellen. Nach ihrem Abzug war alles
verwüstet oder unbrauchbar. Das wenige Brauchbare haben diese
Herren mitgenommen.
    Die meisten Unterlagen aus der
Zeit vor dem Zusammenbruch waren somit vernichtet. Ein immenser
Schaden ist uns dadurch entstanden. Wie Sie mir sicher glauben
werden.
    Ich kann Ihnen aus diesem Grunde
nicht viel über die Vorgänge, die zum Tod der
Fremdarbeiterin geführt haben, sagen.
    Meines Wissens hat sich die
Arbeiterin, die bei der Familie Danner dienstverpflichtet war,
erhängt. Sie wurde hier im Ort beerdigt.
    Fremdarbeiter gab es überall.
Auch in Frankreich wurden wir Kriegsgefangene zur Arbeit
eingesetzt. Meinen Sie, wir sind immer gut behandelt worden? Ich
habe mich ja auch nicht erhängt. Ich verstehe auch gar nicht,
was das mit dem abscheulichen Verbrechen an der Familie Danner zu
tun haben soll. Das ist doch ein Versuch, alte Geschichten wieder
aufzufrischen. Wissen Sie, es gibt Leute, die können diese
Geschichten nicht ruhen lassen. Der Krieg ist seit zehn Jahren
vorbei. Lassen wir doch diese Geschichten ein für alle Mal
ruhen. Die Zeit war damals schlimm genug.
    Alle haben wir gelitten. Jeder hat
sein Schicksal zu tragen, aber die Erde dreht sich weiter. Die
Zeiten ändern sich. Es bringt nichts, darüber
nachzudenken, was wäre wenn. Nichts bringt
das.   
    Natürlich gab es
Ungerechtigkeiten, natürlich gab es Momente der Verzweiflung.
Jeder von uns hat sie doch erlebt. Aber der Krieg ist vorbei. Seit
fast zehn Jahren vorbei und wir sollten anfangen zu vergessen. Ich
war selbst in Kriegsgefangenschaft. Sie können mir glauben, es war
nicht einfach. Ich hatte Glück und konnte bereits kurz nach
Ende des Krieges zurückkehren. Andere hatten nicht so viel
Glück, aber was soll das? Was vorbei ist, ist vorbei. Es gibt
doch noch genügend andere Probleme. Langsam geht es bergauf.
Lesen Sie keine Zeitung? Sehen Sie sich die Weltlage doch an. Im
Augenblick hat sich nach Beendigung des Koreakrieges die Lage zwar
wieder etwas entspannt. Unsere Angst vor einem neuen Krieg ist
für diesen Augenblick gebannt. Ich sage Ihnen, die Kommunisten
in Russland werden nicht ruhen. Sie glauben doch nicht, dass dieser
Chruschtschow besser ist als sein Vorgänger! Gut, die letzten
Kriegsgefangenen kehren nun heim. Endlich, nach fast zehn Jahren,
aber das ändert nichts, gar nichts an der latenten Gefahr, die
vom Osten ausgeht. Aus diesem Grunde war es für uns so
wichtig, die Pariser Verträge zu unterzeichnen. Wir
müssen einen Gegenpol bilden. Auch und gerade weil die Welt
sich nach dem Krieg gewandelt hat.
    Dieses Kapitel ist doch, so
möchte ich meinen, nun endgültig ad acta
gelegt.
    Laufen Sie doch nicht jedem
Tratsch hinterher. Ich kann mir schon denken, aus welcher Ecke Sie
davon gehört haben.
    Ob das Verhalten eben jener immer
so einwandfrei war, dass sie mit dem Finger auf andere zeigen
können? Ich möchte das nicht beurteilen, aber man
hört ja so einiges.
    Wenn der Mann im Feld ist und sein
Heimatland verteidigt, fällt ihm die eigene Frau in den
Rücken und hat ein Verhältnis mit einem Franzosen. Er
hält seinen Kopf für das Vaterland hin und sie
fraternisiert mit dem Feind.
    Feind bleibt stets Feind,
hieß es schon damals und die Richtigkeit gerade dieser Aussage
ist nicht immer von der Hand zu weisen.
    Hören Sie mir doch auf. Da
werden ehrbare Mitbürger angeschwärzt und eine ganze
Dorfgemeinschaft in Mitleidenschaft gezogen. Nur weil eine
polnische Halbjüdin sich aufgehängt hat. Das Mädel
wird halt labil gewesen sein.
    Jetzt nach so langer Zeit einen
Zusammenhang zu konstruieren, finde ich mehr als befremdlich. So
was bringt niemanden weiter. Halten wir uns doch lieber an die
Tatsachen. Spekulationen, egal in welche Richtung, bringen
nichts.
    Gerade bei so einer
verabscheuungswürdigen Tat, wenn Sie mich jetzt entschuldigen
würden …     
 
    Ob König der
Herrlichkeit,
Oh Gottessohn, Jesus Christus,
    Oh Du Lamm Gottes,
das Du hinwegnimmst
die Sünden der Welt,
gib ihnen Ruhe!
    Oh Du Lamm Gottes,
das Du hinwegnimmst
die Sünden der Welt,
gib ihnen Ruhe!
    Oh Du Lamm Gottes,
das Du hinwegnimmst
die Sünden der Welt,

 
      Anna Hierl, 24 Jahre vormals Magd auf dem Dannerhof
    Kommen hab ich es sehen.
Überrascht? Nein, überrascht war ich nicht.
Erschüttert ja, ich habe sie ja alle gekannt und eine Zeit
lang mit ihnen unter einem Dach gelebt. Aber überrascht, nein,
überrascht hat mich das nicht. Irgendwie habe ich immer mit so
etwas

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