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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schenkel
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Wiesen liegt der Hof. Ein
schönes Anwesen ist das.
    Zu Fuß, wenn man schnell
geht, zehn Minuten, denke ich. Ich habe es nicht
gemessen.
    Wie gesagt, vom Giebelfenster aus
kann man es sehen, aber nur vom Giebelfenster aus, sonst nicht. Der
Hauer, der war hinter der Barbara her. Nachgelaufen ist der der.
Der kleine Bub soll ja von ihm sein. Zumindest hat der den Vater
gemacht. Na, als Vater hat er sich eintragen lassen beim
Standesamt, in das Geburtsregister.
    Der Mann von der Spanglerin ist
doch gleich nach der Hochzeit weg. Da war die Marianne noch gar
nicht auf der Welt. Das hat mir der Hauer erzählt. Bei Nacht
und Nebel soll der verschwunden sein. Von heute auf
morgen.     
    So hat es zumindest der Hauer
erzählt, auf dem Hof hat keiner darüber
gesprochen.
    Vor drei Jahren ist dem Hauer
seine Frau gestorben. Ziemlich lang war sie ganz malade dagelegen.
Hat er mir selber erzählt und von den Leuten aus dem Dorf hab
ich es auch gehört.
    Krebs soll sie gehabt haben und
recht lange hat sie leiden müssen.
    Kaum war seine Frau tot, da hat
der Hauer mit der Spanglerin ein Verhältnis angefangen. Zuerst
sei sie ganz vernarrt in ihn gewesen und sie hätte sich ihm,
kurz nachdem seine Frau gestorben war, richtig aufgedrängt. Ob
das stimmt, weiß ich nicht. Der Hauer macht auf mich nicht
den Eindruck, als ob der ein Kostverächter
wäre.
    Aber ich sag ja nur, was er mir
selbst erzählt hat. Der Hauer kann ein ziemlicher
Schwätzer sein, wenn der ein Bier zu viel hat.
    Die Barbara muss gleich danach
schwanger geworden sein. Gleich nach der Geburt von dem Bub, dem
kleinen Josef, wollte sie auf einmal nichts mehr von ihm wissen.
Den Vater hat er bloß machen sollen, danach hat sie ihn
abblitzen lassen, hat er mir so zumindest erzählt. Anzeigen
wollte er die Barbara und ihren Vater, damit das Verhältnis
der beiden ans Tageslicht käme. Dass das eine Todsünde
sei, wider die Natur und diese ganze Leier.
    Aber da hatte der Hauer schon ganz
schön einen sitzen, wie er die Geschichte erzählt hat. An
Kirchweih war's. Da hat er mir den ganzen Auf und Nieder
erzählt.
    Ich hab dem ganzen Palaver gar
nicht richtig zugehört und verstanden hab ich das meiste auch
nicht, so betrunken wie der war.
    Mit eigenen Augen habe ich nur
gesehen, dass der alte Danner seine Tochter einmal vor dem Hauer
verleugnet bzw. versteckt hat. Sie wäre nicht da, hat er
gesagt. Obwohl sie in der Kammer saß.
    Wollen Sie Genaueres wissen,
müssen Sie schon mit dem Hauer selber reden. Ich will dazu
nichts weiter sagen, da kommt einer sonst nur in lauter Ratsch und
Tratsch.
    So, ich gehe jetzt wieder an meine
Arbeit, wenn Sie keine Fragen mehr haben. Wie ich schon gesagt
habe, fürs Faulenzen wird man nicht bezahlt.
    Es ist Abend geworden. Alle im
Haus sind bereits zu Bett gegangen.
    Der Hansl, sein Sohn, die Anna,
seine Schwägerin. Vor nunmehr sechs Jahren kam sie, die Anna,
ins Haus. Damals, als bereits die ersten Anzeichen der Krankheit
bei seiner Frau sichtbar wurden und sie nicht mehr in der Lage war,
sich um Haus und Hof zu kümmern. Langsam, Schritt für
Schritt übernahm sie die Haushaltsführung, kümmerte
sich um den Hansl, als wäre es ihr eigener Sohn.
    Sie pflegte seine Frau, als sie
schwer krank, oben im Bett, im Schlafzimmer lag. Bis zu ihrem Tod
pflegte seine Schwägerin Anna seine Frau, ihre Schwester,
aufopfernd. Hat sie am Morgen gewaschen, sie gefüttert.
Umsorgte sie den ganzen Tag. Stand ihr bei. Als das Ende schon
absehbar war. Als der Anblick ihres Leidens für ihn schon
unerträglich geworden war, zog sie an seiner Statt in das
gemeinsame Schlafzimmer ein. Um auch nachts bei ihr zu sein, ihr
Leiden zu lindern, ihr Trost zu spenden.
    Zu diesem Zeitpunkt ist es ihm
bereits nicht mehr möglich gewesen, seiner Frau nahe zu sein.
Ihr Siechen schreckte ihn ab, er konnte ihr nicht helfen, konnte
ihr nicht beistehen. Wie es seine Pflicht gewesen wäre.
»In guten wie in schlechten Tagen.«
    Er ertappte sich dabei, sich zu
wünschen, das Leiden möge endlich ein Ende haben. Er
sehnte sich ihren Tod herbei. Er war ihren Anblick leid, ihr
Martyrium. Er konnte den Geruch der Krankheit und des Todes, der
sie süßlich wie einen Mantel umhüllte, nicht mehr
ertragen. Ihre Gestalt, abgemagert, ausgezehrt, nicht mehr
sehen.
    Sooft es ihm möglich war,
verließ er das Haus. Selbst am Tag ihres Todes ist er den
ganzen Tag außer Haus gewesen. Hat sich herumgetrieben, auch
wenn er mit seiner Arbeit bereits fertig war. War durch den

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