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Tannöd

Tannöd

Titel: Tannöd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schenkel
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arbeiten
hats müssen wie ein Ochse. Dabei war sie doch ein ganz
schmales Persönchen. Aus der Landwirtschaft war die auch
nicht. Die kam aus einer Stadt in Polen, ich glaub, aus Warschau.
Genau weiß ich es aber nicht mehr. Mir hat's nur furchtbar
Leid getan, das arme Ding. Der Pierre hat gemeint, der Danner ist
der Amelie nachgestiegen. Richtig verfolgt und belästigt soll
der Danner die Amelie haben, sogar über sie hergefallen soll
er sein. Dem Pierre hat sie ihre blauen Flecken gezeigt und geweint
hat sie.
    Einmal soll der Danner sie sogar
draußen auf dem Hof mit der Geißel geschlagen haben.
Nur weil sie nicht so wollte wie er. Blutige Striemen hats gehabt.
Glaubens, die Dannerin hätte der geholfen? Nichts hat sie
gesagt. Im Gegenteil, drangsaliert und schikaniert hat sie die
Amelie, wo es nur ging. Es ist schon so, wird einer sein ganzes
Leben getreten, tritt er, wenn er die Möglichkeit dazu hat,
auch. Die Amelie, die hat es nicht mehr aushalten können auf
dem Hof. Weglaufen hat sie nicht können, da hat sie sich
aufgehängt. Das arme Mädel. Im Stadel hat sie sich
aufgehängt. Im Stadel, da wo sie jetzt den Danner und die
Seinigen gefunden haben. Seltsam ist das schon.
    Der Danner hat hernach alles
vertuscht und der Bürgermeister hat ihm geholfen.
    Dem Pierre hatte die Amelie recht
gut gefallen. Er hat ihr manchmal heimlich was zum Essen
zugesteckt. Viel haben wir auch nicht entbehren können. Aber
einen Kanten Brot, etwas Obst und Gemüse und ab und zu mal ein
Stückchen Wurst. Das alles hat er ihr heimlich zugesteckt.
Einmal, wie sie es fast gar nicht mehr hat aushalten können,
hat sie dem Pierre von ihrem Bruder erzählt. Der würde
sie bestimmt suchen, wenn der Krieg vorbei ist. Dem würde sie
dann alles über den Danner erzählen. Würde ihm
erzählen, wie schlecht sie von denen auf dem Hof behandelt
worden ist und dass ihr der Alte ständig nachgestiegen ist,
sie bedrängt hat. Sachen von ihr
verlangt hätte, die sie dem Pierre gar nicht erzählen
kann. Geweint hat sie und geweint, gar nicht mehr beruhigt hat sie
sich. So hat es mir der Pierre erzählt.
    Ich war mir damals nicht sicher,
ob der Pierre auch alles richtig verstanden hat, denn der Pierre
hat doch nur französisch und mehr schlecht als recht deutsch
gesprochen.
    Aber die Geschichte geht mir immer
wieder im Kopf um, seit sie die Toten gefunden haben. Ausgerechnet
im Stadel. Wer weiß, vielleicht ist ja doch der Amelie ihr
Bruder gekommen und hat sich an dem Danner
gerächt. 

 
    Franz-Xaver
Meier 47 Jahre, Bürgermeister
    So gegen fünf Uhr ist der
Hauer Hansl zu mir gekommen. Völlig außer Rand und Band
war er. Beim Danner habens alle erschlagen, hat er gerufen. Alle
sinds mausetot. Immer wieder hat er gerufen: »Alle habens
erschlagen. Alle sind tot.« Ich solle sofort die Polizei
anrufen. Was ich selbstverständlich umgehend gemacht habe. Mit
dem Hansl bin ich im Auto zum Anwesen der Familie Danner gefahren.
Dort traf ich auf den Georg Hauer, den Vater vom Hansl, und den
Johann Sterzer, sowie den Alois Huber, den zukünftigen
Schwiegersohn vom Sterzer, der als Knecht bei ihm arbeitet. Nach
einer kurzen Unterredung mit den drei Anwesenden habe ich auf eine
Besichtigung des Tatortes
verzichtet.     
    Kurze Zeit später trafen
bereits die Beamten der Polizei vor Ort ein und ich wähnte
meine Anwesenheit nicht mehr als erforderlich. Mehr kann ich zur
Aufklärung des schauerlichen Verbrechens nicht
beitragen.
    Natürlich war ich schockiert,
das ist gar keine Frage. Aber es ist Aufgabe der zuständigen
Behörde, in diesem Fall der Polizei und nicht meine eigene,
das Vorgefallene aufzuklären.
    Das, in fast denselben Worten,
habe ich auch dem Journalisten der Zeitung erzählt. Ach,
fangen Sie doch jetzt nicht auch noch an mit der Geschichte
über die Fremdarbeiterin. Darüber kann ich ihnen gar
nichts sagen. Die Unterlagen über diesen Vorfall gingen leider
'45 verloren. Mein Amtsvorgänger könnte Ihnen da mehr
erzählen, wenn er denn noch am Leben wäre.
    Damals war ich in
französischer Kriegsgefangenschaft. 
    Als im April '45 die Amerikaner
kamen und uns befreiten, war ich noch nicht zu Hause. Die haben das
Haus des damaligen Bürgermeisters und das Rathaus
beschlagnahmt. Sie bezogen in diesen Häusern
vorübergehend Quartier. Als sie wieder abzogen, waren die
Häuser verwüstet.
    Wie die Vandalen haben die
gehaust. Im Garten schössen sie mit ihren Pistolen auf
Porzellanteller. »Tap shooting« haben die das genannt.
Das

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