Tante Dimity und das verborgene Grab
Schreibtisch und fing an, ihre Papiere zu durchsuchen. Amüsiert stellte ich fest, dass sich unter den historischen Dokumenten, die Lilian angehäuft hatte, nun auch die Gesammelten Werke von Peggy Kitchen befanden.
Der Pfarrer stand auf und ging zu seiner Frau hinüber, die das Dokument mit einem Vergrößerungsglas studierte. »Was ist, Lilian?«
»Vielleicht ist es gar nichts«, sagte sie. »Aber ich hätte gern Loris professionelle Meinung dazu.«
Schnell ging ich an den Tisch, auf dem Lilian alles beiseite geschoben hatte bis auf Peggys Flugblätter und das Dokument, das ich mitgebracht hatte. Sie knipste die Schreibtischlampe an und trat einen Schritt zurück.
»Bilde ich es mir nur ein?«, fragte sie. »Oder sehe ich eine weitere auffällige Ähnlichkeit?«
Ich schlug das Titelblatt von FESTHALTEN
auf und verglich es mit den Flugblättern. »Sie sind alle in Caslon gedruckt – das ist ein Schrifttyp, den es seit dem frühen achtzehnten Jahrhundert in England gibt und der seitdem immer noch beliebt ist. Aber ich sehe nicht …« Ich zögerte, dann langte ich nach dem Vergrößerungsglas.
Tief über das Blatt gebeugt, sah ich mir die Schrift näher an. »Es ist nicht nur derselbe Schrifttyp«, sagte ich. »Es sind dieselben Typen –
derselbe Schriftsatz. Sehen Sie hier …« Ich deutete von dem H in Herr auf Peggys Flugblatt zu dem H in HALTEN . »Der Querbalken hat den gleichen Haarriss. Die Fs sind auch identisch.
Sehen Sie?« Ich tippte auf zwei weitere Wörter.
»Dieselben schwach ausgeprägten Serifen, wo die Typen abgenutzt sind. Und hier ist eine identische Lücke in zwei kleinen Ts.«
Ich reichte dem Pfarrer das Vergrößerungsglas. Entweder Lilian hatte den größten Zufall in der Geschichte des Druckes entdeckt, oder Peggy Kitchen und Cornelius Gladwell hatten zufälligerweise dieselben Typen für ihre Druckerzeugnisse benutzt. Jasper Taxman hatte erwähnt, dass Peggy über keine Kopiermaschine verfüge, aber es war mir bisher nicht eingefallen, sie zu fragen, ob sie stattdessen eine viktorianische Druckerpresse benutzt habe.
»Was ist mit Cornelius Gladwells persönlichem Besitz geschehen?«, fragte ich Lilian.
»Ich glaube, er wurde versteigert.« Sie suchte in ihrem Kasten. »Ja, hier ist es«, sagte sie und zog eine Karteikarte mit handschriftlichen Notizen heraus. »Sein gesamter Besitz wurde 1901
von Harmers Auktionshaus versteigert.«
»Harmer?«, sagte der Pfarrer und legte das Vergrößerungsglas hin. »Hieß so nicht der Typ, dem früher das Warenhaus gehörte?«
»Ja«, sagte Lilian. »Und vor ihm gehörte das Geschäft seinem Vater, der nebenbei noch Versteigerungen abhielt.«
»Dann muss er die Druckerpresse von Gladwell behalten haben«, sagte der Pfarrer. »Sie steht vermutlich immer noch in Mrs Kitchens Lagerraum.« Er lachte. »Stell dir mal vor, und das alte Ding funktioniert auch noch …«
Lilian steckte die Karte wieder in den Kasten und sah auf ihre Uhr. »Warum statten wir Mrs Kitchens Lagerraum nicht einen Besuch ab, Teddy? Es ist noch reichlich Zeit bis zum Vespergottesdienst, und ich wüsste gern, ob Mr Harmers Vater noch andere Sachen für sich ersteigert hat, die Mr Gladwell gehörten.«
»Wie zum Beispiel seine Papiere?«, fragte ich, ihrem Gedankengang folgend. »Glauben Sie wirklich, dass die anderen neun Exemplare von Enttäuschungen eines Forschers noch in Peggys Lagerraum sein könnten?«
»Das wäre eine Erklärung, warum
Dr. Finderman sie nicht aufgespürt hat«, sagte Lilian. Sie knipste ihre Schreibtischlampe aus und ging in den Flur. »Außerdem habe ich mit Dr. Culver noch ein Hühnchen zu rupfen. Er hält sich zwar bedeckt, aber ich bin sicher, er denkt, dass ich die Existenz des GladwellSchriftstücks nur erfunden habe, um Mrs Kitchen zu beruhigen. Es würde mich sehr freuen, wenn ich ihm das Gegenteil beweisen könnte.«
Kurz darauf waren wir in Regenmänteln auf dem Weg zu Kitchen’s Emporium. Ich hätte es den Buntings gegenüber nie zugegeben, aber ich konnte es gar nicht erwarten, einen Blick in Peggys Lagerraum zu tun.
Wir waren noch keine zehn Meter vom Pfarrhaus entfernt, als wir auf Miranda Morrow trafen, die auf das Briar Cottage zueilte. Mr Wetherhead humpelte hinter ihr her, er setzte seinen Gehstock sorgfältig auf der regennassen Stra
ße auf und sah sich ab und zu verstohlen um. Als er mich sah, wurde er rot und senkte den Blick.
»Gut, Sie zu treffen«, sagte Miranda. Regentropfen perlten auf ihrem knöchellangen
Weitere Kostenlose Bücher