Tante Dimity und das verborgene Grab
vielleicht gestohlen, um Adrian hier zu halten.«
Langsam dämmerte es mir. »Sie dachten, Annie würde Adrian das Grab zeigen, wenn die Ernte missriet. Sie würde versuchen, durch den Fund zu Geld zu kommen, um die ausgefallenen Ernteeinnahmen zu ersetzen.«
»Jetzt glaube ich es aber nicht mehr.« Francesca strich sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. »Als ich Mrs Kitchen hörte, wurde mir klar, dass ich schon viel zu lange auf Annunzia böse bin. Es hat einfach keinen Zweck, so nachtragend zu sein. Es macht einen blind und dumm.«
»Genau wie Mrs Kitchen«, bemerkte ich.
Francesca lächelte reumütig. »Hier draußen habe ich wieder einen klaren Kopf bekommen, und jetzt weiß ich, dass Annunzia Papa genauso geliebt hat wie ich. Sie würde sein Geheimnis niemals verraten.«
»Sie macht sich Sorgen, dass Sie es tun könnten«, sagte ich vorsichtig.
Francescas Gesicht wurde ernst. »Ja.« Ihre dunklen Augen verschleierten sich. »Es ist nicht gut, wenn man vor seinem Mann Geheimnisse hat.«
Und das, so wurde mir in diesem Moment schmerzhaft klar, war der Grund, warum beide Schwestern sich wegen Adrian Culver Sorgen machten. Francesca war dabei, sich in einen Archäologen zu verlieben, noch dazu in einen Fachmann für britischrömische Kultur. Wenn sie Adrian heiratete, würde ihre Loyalität ihrem Vater gegenüber sie in ein schreckliches Dilemma stürzen. Würde sie das Grab des Petronius verleugnen, oder würde sie das Geheimnis ihres Vaters verraten?
»Francesca«, sagte ich, »Adrian liebt Sie.
Wenn Sie ihm die Dinge erklärten, ich bin sicher, er würde sie respektieren …«
»Vielleicht«, sagte sie müde. »Aber vielleicht auch nicht.« Sie hob die Arme und fing an, ihr Haar wieder aufzustecken. »Decken wir es wieder zu. Will und Rob werden sich schon fragen, wo ihre Mutter steckt.«
Nachdem wir den Grabstein wieder unter Brettern, Platten und leeren Säcken verborgen hatten, streuten wir Erde zwischen die Platten und bedeckten sie mit Stroh. Inzwischen durfte Cäsar im Stall herumtoben. Francesca blies die Laterne aus und hängte sie an einen Haken bei der Tür. Ich ging voran zum Auto.
Adrian war offensichtlich die ganze Zeit über nervös beim Auto auf und ab gegangen. Er fröstelte und war bis auf die Haut durchnässt. Er hatte sich nur kurz ins Auto geflüchtet, um das Handy zu beantworten.
»Die Pyms haben Bill und die Jungen zum Cottage zurückgefahren«, sagte er zähneklappernd.
Auf dem Rückweg musste Adrian eine Standpauke von Francesca über sich ergehen lassen, weil er so dumm gewesen war und sich nicht vor dem Regen geschützt hatte. Es überraschte mich nicht, als sie darum bat, mit ihm am Schulhaus abgesetzt zu werden, aber umso mehr, als er sie auf der Schwelle in die Arme schloss.
Das lange Haar war ihr wieder über den Rü cken gefallen, und der Regen hatte ihr Hemdblusenkleid durchweicht. Doch trotz des Regens hielt sie Adrian fest, als wollte sie ihn nie wieder loslassen. Ich wandte taktvoll die Augen ab und ließ die beiden allein. Jetzt würde es neuen Klatsch geben, dachte ich und lächelte zufrieden in mich hinein. Diesmal würde er nicht auf blo ßen Gerüchten beruhen.
25
DER REGEN TROMMELTE aufs Schieferdach, stürzte durch die kupfernen Fallrohre und platschte in die Pfützen neben dem Plattenweg.
Er tanzte auf den Blättern des Fliederstrauchs und lief in unzähligen kleinen Rinnsalen an den Erkerfenstern des Wohnzimmers herunter. Die lange Trockenperiode war vorbei.
Ich saß mit gekreuzten Beinen neben Francesca auf der Fensterbank und sah einem einzelnen Regentropfen zu, wie er an der rautenförmigen Scheibe seinen Weg suchte. Es fiel mir schwer, mich auf die triviale Aufgabe zu konzentrieren, die ich mir vorgenommen hatte, um die Zeit totzuschlagen. Francesca bat mich um die Bindfadenrolle, und ich reichte sie ihr. »Und Sie meinen, je zehn Stück sind genug?«, fragte ich und sah den Stapel Elternzeitschriften auf Francescas Schoß an.
Sie schlang die Schnur um ein Bündel. »Zehn ist reichlich. Verlangen Sie fünf Pence das Stück, und sie werden Ihnen aus der Hand gerissen.«
Ich reichte ihr die Schere. »Ich weiß nicht, wer die Dinger kaufen soll, selbst für fünf Pence. Will und Rob scheinen die einzigen Kinder unter dreißig Jahren hier in Finch zu sein.«
Francesca schnitt die Schnur durch und knotete eine Schleife. »Man kann nie wissen. Es könnten ja Leute mit Kindern aus anderen Dörfern kommen. Und meine Schwägerin hat genug
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