Tante Dimity und das verborgene Grab
abschließen.«
Nachdenklich runzelte Lilian die Stirn. »Womit der Kreis der Verdächtigen ziemlich groß wäre …«
Ich nickte. »So ist es.«
»Also«, sagte sie munter, »wenn ich etwas hö
ren sollte, gebe ich Ihnen Bescheid.«
»Gut. Aber inzwischen …« Ich machte eine energische Handbewegung in Richtung der Treppe, die in die Bibliothek führte. »Sie sollten dafür sorgen, dass sich jemand um diese Wildnis kümmert. Bedenken Sie, dass sie für einen Flüchtenden ideale Deckung bietet – also lassen Sie alles zurückschneiden.«
Lilian schürzte die Lippen. »Verstanden.«
Während wir uns vorsichtig den Weg um das Haus zur Eingangstür des Pfarrhauses bahnten, verwandelte sich Lilian wieder in die Buchgelehrte. »Wissen Sie«, sagte sie, »Finch ist nicht ganz so langweilig, wie Teddy es schildert. Das Dorf hat schon seine kleinen Merkwürdigkeiten. Zum Beispiel das Kriegerdenkmal, das ist einmalig.«
»Wieso?«
»Es erinnert nicht nur an die Toten«, erwiderte sie, »sondern auch an alle Männer und Frauen, die in beiden Weltkriegen gedient haben, ganz gleich, in welcher Eigenschaft. Und das dort
…« – sie wies auf das Haus nebenan, ein bescheidenes niedriges Gebäude aus goldgelbem Stein, das ein wenig von der Straße zurückgesetzt war –,»… das war das Haus des Lehrers, als Finch noch einen Lehrer hatte. Der letzte muss ein ziemlicher Schwerenöter gewesen sein. Wenn man dem Kirchenbuch glauben darf, hat er die Hälfte der Schüler in seiner Klasse selbst gezeugt.
Allerdings war er Junggeselle.«
»Wow«, sagte ich. »Da müssen die Elternversammlungen aber …« Ich unterbrach mich und sah angestrengt in Richtung Dorfplatz.
»Was ist denn das für ein Lärm? Das klingt ja wie …«
Lilian Bunting und ich sahen uns an und platzten gleichzeitig heraus: »Peggy Kitchen.«
»Bleiben Sie hier«, sagte ich. »Ich gehe und sehe nach, was los ist.«
»Wollen Sie sich wirklich in die Sache verwickeln lassen?«
»Machen Sie sich keine Sorgen um mich«, sagte ich trocken, »ich bin eine unbeteiligte Beobachterin.«
Das laute Gezänk von Peggy Kitchen kam vom Schulhaus. Davor blieb ich stehen und blickte mich um, ehe ich den Vorstoß wagte.
Vorsichtig spähte ich um die Ecke und sah, wie Peggy Kitchen, die Arme in die Seiten gestemmt, hinter dem Minibus stand und die beiden jungen Leute ankeifte, die ich vorhin gesehen hatte.
»Ich hetze euch die Polizei auf den Hals!«, donnerte sie. »Ihr ruiniert mir das Geschäft, jawohl! Euer Höllenlärm verjagt mir die Kunden!«
»Mrs Kitchen!«, rief ich und gab meine relative Sicherheit preis. »Ich habe eine wichtige Nachricht für Sie! Es geht um die Sache, die wir heute früh besprochen haben!«
Wie ein gereizter Stier, der von einer Bremse abgelenkt wird, unterbrach Peggy ihren Angriff und sah um sich, bis sie mich entdeckte. »Und?«, bellte sie.
Ich ließ alle Vorsicht fahren und nahm sie beim Ellbogen. »Mir ist ein Weg eingefallen, wie wir die Sache in den Griff kriegen. Kommen Sie mit.« Während ich Peggy in Richtung ihres Ladens steuerte, sah ich vielsagend über meine Schulter. Die beiden jungen Leute verstanden und verschwanden im Schulhaus.
Peggy atmete noch immer schwer, aber wenigstens sprühten ihre Augen nicht länger Funken, als wir auf dem schütteren Gras des Dorfplatzes stehen blieben. »Was für einen Plan haben Sie?«, wollte sie wissen.
»Ich kann über die Einzelheiten noch nicht sprechen«, begann ich ins Blaue hinein. »Dazu muss ich erst meinen Mann konsultieren.«
Peggys Augen leuchteten auf. »Aha. Eine juristische Lösung. Wie schnell können wir mit einem Ergebnis rechnen?«
»Auf jeden Fall rechtzeitig vor dem Erntedankfest«, versicherte ich ihr. »Bis dahin ist es von äußerster Wichtigkeit, dass Sie sich vom Schulhaus fern halten. Anderenfalls …« Ich hatte keine Ahnung, was ich als Nächstes sagen würde, aber es war nicht mehr notwendig.
»Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann, Lori«, sagte Peggy. Sie tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Nase und nickte bedeutungsvoll, ehe sie siegesgewiss in ihren Laden zurückrauschte.
Schlaff vor Erleichterung ging ich zurück ins Schulhaus. Durch die offene Tür trat ich in den Garderobenraum, einen langen, schmalen Gang mit Reihen von Kleiderhaken in Kinderhöhe.
Wie Peggy gesagt hatte, wurde das Gebäude schon lange nicht mehr für den Schulunterricht genutzt. Einst hatte es zwei Klassenzimmer gehabt, aber die Trennwand war
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