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Tante Dimity und das verborgene Grab

Tante Dimity und das verborgene Grab

Titel: Tante Dimity und das verborgene Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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neuerdings ist er lieber bei den Babys.«
    Mit großer Geste, wie ein Zauberer, zog ich das Häschen aus der Tasche. Kein Salat knabberndes Häschen, sondern ein kleines rosa Flanellhäschen mit schwarzen Knopfaugen, aufgesticktem Schnurrbart und einem Traubensaftfleck am Schnäuzchen – die Erinnerung an ein kleines Mädchen, das genauso umtriebig war wie Rainey.
    »Er heißt Reginald«, fuhr ich fort, »und wie du siehst, hat er niemanden zum Spielen.«
    »Ich spiele mit ihm!« Rainey kniete sich hin und nahm das rosa Häschen in die Hände. »Reginald«, fing sie an, »ich heiße …« Sie zögerte, sah Reginald durchdringend an und richtete dann ihre großen, erstaunten Augen auf mich.
    »Er weiß schon, wie ich heiße. Und er will mir zeigen, wo der Igel wohnt.«
    »Der Igel?«, fragte Francesca.
    »Reginald sagt, in der Mauer wohnt eine Igelfamilie, dort hinter der Kirche. Er sagt, ich muss sie mir einfach angucken.« Schon sprang Rainey auf und rannte los, den hin und her baumelnden Reginald in der Hand. Ihre Zöpfe flogen, während sie sich durch die Grabsteine schlängelte.
    Ich sah Rob in die Augen und hoffte, dass Reg eines Tages die Fantasie meines Sohnes ebenso beflügeln würde wie die von Rainey Dawson.
    »Haben Sie Rainey von dem Igel erzählt?«, fragte Francesca.
    Ich sah sie unsicher an. »Gibt’s denn dort einen Igel?«
    Francesca nickte. »Mein Bruder hat vor Jahren den Bau gefunden. Er ist genau wo Reg …
    äh, wo Rainey gesagt hat, in der Mauer hinter der Kirche.«
    »Tatsächlich?« Ich brauchte mich nicht zu wundern. Tante Dimity hatte mir Reginald geschickt, als ich noch ein kleines Mädchen war, und ich hatte Grund zur Annahme, dass bei seiner Herstellung nicht nur starker Zwirn verarbeitet worden war. Es wäre jedoch leichter gewesen, Rainey zu erklären, dass Reg nicht ein gewöhnliches rosa Durchschnittshäschen war, als Francesca, einer Erwachsenen, deshalb gab ich mich nonchalant. »Vielleicht hat der Pfarrer Rainey von dem Igel erzählt.«
    Francesca verdrehte die Augen. »Der Pfarrer weiß so viel von Igeln wie ich von seinen Vespergottesdiensten.«
    »Sie gehen nicht in die Kirche?«
    »Unsere Familie ist katholisch«, erwiderte sie.
    »Aber mein Vater und meine Brüder haben hier immer das Gras gemäht und die Wege geharkt.«
    Sie deutete mit dem Kopf zu der niedrigen Friedhofsmauer. »Mein Vater hat die Rosen dort gepflanzt.«
    »Sie sind herrlich«, sagte ich. »Die Gemeindemitglieder müssen begeistert gewesen sein.«
    »Einige.« Francesca legte sich Will in den anderen Arm. »Haben Sie Mrs Kitchens Gesuch unterschrieben?«
    »Ja«, gab ich zu. Ich hätte noch mehr gesagt, aber Hurrikan Rainey war wieder da.
    »Lori! Francesca! Seht mal, wen ich gefunden hab!«
    Ich sah auf und erwartete, dass Rainey uns einen Igel unter die Nase halten würde. Stattdessen hüpfte sie fröhlich um einen großen, recht gut aussehenden Mann herum.
    Er war schlank und tief gebräunt, trug khakifarbene Shorts und ein kurzärmeliges blaues Hemd, dazu einen breitkrempigen Hut, der aussah, als hätte er schon mehrere Kriege mitgemacht. Sein Gesicht war lang und schmal, die Haut spannte sich über den hohen Wangenknochen und dem breiten, schmallippigen Mund. Er trug Wanderstiefel, und auf dem Rücken hatte er einen kleinen khakifarbenen Rucksack. Von einer Kordel, die er um den Hals trug, baumelte eine Halbbrille.
    »Er hat sich die Wandgemälde angesehen«, rief Rainey atemlos, »weil Katrina und Simon im Schulhaus alles durcheinander gebracht haben und weil er nicht den ganzen Tag auf Scrag End sein kann, und er wollte den Igel nicht sehen, aber euch wollte er sehen.«

    »Danke, Rainey.« Die angenehme Stimme des Mannes klang wie die Cellobegleitung zu Raineys Trompete. »Du hast die Sache hervorragend zusammengefasst.«
    Er duckte sich unter den niedrigen Ästen der Zeder hindurch und blinzelte, bis seine Augen sich an den plötzlichen Übergang von Licht zu Schatten gewöhnt hatten. Als er meine unverhüllte Brust bemerkte, errötete er tief.
    »Ich bitte um Verzeihung.« Er drehte den Kopf zur Seite, woraufhin seine Augen auf Francescas trafen, und die Farbe wich aus seinem Gesicht. Er stand wie angewurzelt da, aber gleichzeitig schien er leicht zu schwanken, während er unwillkürlich einen leisen Seufzer ausstieß.
    »Dr. Culver«, sagte Rainey, »warum sehen Sie Francesca so an?«
    » Francesca «, flüsterte Dr. Culver.

9
    RAINEY SAH DEN hochgewachsenen Archäologen besorgt an. »Ich

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