Tante Dimity und das verborgene Grab
dir eine diskretere Methode einfallen lassen.«
Das ganze Haus ist angefüllt mit deiner Wut .
»Warum sollte ich nicht wütend sein?« Es war nicht ganz einfach, meinem Ärger leise Luft zu machen, aber ich schaffte es. »Peggy Kitchen hat das ganze Dorf in Aufruhr versetzt. Sie macht dem Pfarrer das Leben zur Hölle, sie hat Adrian Culver durch einen miesen Trick dazu gebracht, ihr dämliches Gesuch zu unterschreiben, und gestern Abend hat sie Bill mit Met abgefüllt, weil er ihr sagte, dass er bei den Moriskentänzern aufhören will. Und als ob das noch nicht reicht, verbreitet sie jetzt auch noch schmutzige Gerüchte über Francesca und Adrian.« Ich schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich bin wütend, und ob ich wütend bin.«
Ich möchte dich an etwas erinnern , ehe du dich noch weiter in deinen Zorn hineinsteigerst .
»Was denn?«, fragte ich ungeduldig. »Woran willst du mich erinnern?«
An deinen achten Geburtstag .
»Meinen …« Ich starrte auf die Worte auf dem Papier, dann setzte ich mich auf und griff mir mit der Hand an den Kopf. »Mein achter Geburtstag?«
Erinnerst du dich daran , was deine Mutter dir zu deinem achten Geburtstag schenkte?
»Natürlich erinnere ich mich daran.« Ich sah vom Tagebuch hinüber zu den Archivkästen, in denen die Briefe waren, die meine Mutter im Laufe von vierzig Jahren an Dimity geschrieben hatte. Ich musste nicht erst nachsehen, um mich an das herrlichste Geburtstagsgeschenk zu erinnern, das ich je von meiner Mutter bekommen hatte.
»Mein Fahrrad.« Ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl, stützte die Ellbogen auf die Schreibtischfläche und sah nachdenklich auf die Sonnenstrahlen, die durch den Efeu fielen. »Mein erstes Fahrrad. Mum hatte es gebraucht gekauft, aber für mich war es das schönste Fahrrad, das ich je gesehen hatte. Es war blau, mit weißen Griffen und einem weißen Sattel.«
Es hatte links eine silberne Klingel am Lenker , von der du häufig Gebrauch machtest .
Ich sah auf Dimitys Worte und musste lächeln.
»Mum kam heraus und sah mir dabei zu, wie ich in unserer Straße hin und her fuhr, den ganzen Nachmittag lang. Es fühlte sich an wie Fliegen.
Das werde ich nie vergessen.«
Peggy Kitchen wird ihren achten Geburtstag auch nie vergessen . Gerade als ihre Mutter den Geburtstagskuchen auf den Tisch stellte , gingen die Sirenen los . Und als der Luftangriff zu Ende war , war der Kuchen weg , ebenso wie der Tisch , die Küche und das Haus . Peggy verbrachte ihren achten Geburtstag zusammengekauert in der Krypta einer Kirche , während Birmingham von der deutschen Luftwaffe in Schutt und Asche gelegt wurde .
Ich wandte das Gesicht vom Tagebuch ab. Ich wollte nichts weiter davon hören. Ich war entschlossen, an meiner Wut festzuhalten, merkte aber, wie sie mir entglitt. Sie war nicht älter als Rainey gewesen … Mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust zwang ich mich, wieder auf das Blatt zu sehen, wo sich Dimitys Schrift unaufhaltsam weiter über die Seite ergoss.
Auf der Flucht vor den Luftangriffen auf Birmingham kam Peggy Kitchen nach Finch . Als sie mit ihrer Mutter eintraf besaßen sie nichts als die Kleider , die sie trugen , und ein Foto von Peggys Vater in der Uniform seines Panzerkorps . Nicht lange nach ihrer Ankunft hier erreichte sie die Nachricht , dass er gefallen war . Er verbrannte , als sein Panzer in Nordafrika von italienischen Truppen beschossen wurde . Drei Monate später kam Piero Sciaparelli als Kriegsgefangener nach Finch , um beim alten Mr Hodge zu arbeiten .
»Francescas Vater …«, murmelte ich.
Als Peggy ihn das erste Mal sah , warf sie mit Steinen nach ihm . Leider muss ich sagen , dass einige der Dorfbewohner sich auf ihre Seite stellten . Wie so viele Soldaten hat auch Piero Sciaparelli zeitlebens versucht , die Schrecken des Krieges hinter sich zu lassen , aber Peggy Kitchen hat nie aufgehört , mit Steinen zu werfen . Und nach allem , was du mir erzählst , wirft sie immer noch .
»Ich wünschte, sie hörte auf«, sagte ich leise.
»Der Krieg ist schon so lange vorbei.«
Vielleicht können wir ihr helfen .
»Dafür ist es wohl ein bisschen spät«, sagte ich.
Lori , Liebes , hast du immer noch nicht gelernt , dass es nie …
Die Schrift endete abrupt. Im Flur hörte ich das Tappen von Hundeklauen und ein Schnüffeln, und ich beeilte mich, das Tagebuch wieder an seinen Platz zu stellen, ehe ich mich der Tür zuwandte.
»Emma?«, rief ich.
Die Tür öffnete sich, und Harn trabte herein,
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