Tante Dimity und das verborgene Grab
widersetzen.«
Dick nickte mitfühlend. »Als wenn man sich einer Sturmflut widersetzen wollte.«
»Eigentlich«, sagte ich, einer Eingebung folgend, »bin ich gekommen, um mich bei Ihnen zu entschuldigen. Von Derek Harris weiß ich, wie unmöglich mein Mann sich neulich hier benommen hat, deshalb habe ich Ihnen eine Kleinigkeit gebacken.« Ich hielt die Dose mit den Zitronenstangen hin. »Sind wir damit quitt?«
»Aber ja doch.« Dick riss mir die Dose förmlich aus der Hand, dann öffnete er weit die Tür.
»Ich wollte mich grade zu einer frischen Kanne Tee hinsetzen. Darf ich Ihnen eine Tasse anbieten?«
Mein Leben hatte sich sehr verändert, seit ich zum letzten Mal im Pub gewesen war, aber hier hatte sich nichts verändert. Die glänzende Bar aus Mahagoni hatte blank geputzte Zapfhähne, am Rahmen darüber hingen blitzsaubere Gläser, und auf den Regalen dahinter standen zahlreiche verschiedene Flaschen in Reih und Glied – aber damit hörte die Pracht auch schon auf. Der Rest des Pubs war noch genauso schäbig, düster und staubig wie damals, als Bill und ich auf einen Drink hier hereingekommen waren.
Die Peacocks hatten den Gastraum mit wackligen Stühlen ausgestattet, und eine Anzahl von zerkratzten Holztischen stand aufgereiht vor der scheußlichen Bank, die an der Wand entlanglief.
Über deren Brokatpolster war in einem gewagten Muster in Limettengrün mit Orange ein Schutz
überzug aus Plastik gespannt. An der Rückwand war ein großer, tiefer Kamin, aber man müsste als Besucher schon sehr betrunken sein, um sich hier hinzusetzen, denn dann riskierte man, in die Schusslinie des Dartspiels zu geraten.
In der Mitte der Wand über der Bank – und in sicherer Entfernung vom Dartboard – hing ein gerahmtes Foto, auf dem Martin, der einzige Sohn der Peacocks, stolz und stramm in seiner Uniform stand. Ich hatte Martin noch nie gesehen, aber ich hatte Gerüchte gehört, sein Zimmer sei eine Art Gedenkstätte, in der kein Stäubchen entfernt worden war, seit er vor zwanzig Jahren zum Militär gegangen war.
Dick führte mich zu einem Tisch direkt unter Martins Porträt, wo Teekanne und Tasse schon bereitstanden, dann ging er, um eine weitere Tasse für mich zu holen. Als ich mich auf die Bank gesetzt hatte, fing Grog an, interessiert meine Schuhe zu beschnüffeln. Christine indessen ging hinter die Bar, wo sie anscheinend mit einem Experiment beschäftigt war.
Vor ihr standen in einer Reihe zehn Biergläser.
Sieben von ihnen waren bis zum Rand mit etwas gefüllt, das wie helles Bier aussah, aber in den ersten drei Gläsern war eine schäumende rote Flüssigkeit. Ich sah zu, wie Christine eine kleine Plastikflasche hob und einen Tropfen Speisefarbe in das vierte Glas gab. Sie rührte mit einem Löffel um, betrachtete das Ergebnis und fügte dann drei weitere Tropfen hinzu.
»So, da wären wir«, sagte Dick und setzte sich. »Ich hoffe, Sie mögen Enziantee. Den trinke ich wegen meiner Gicht.«
»Machen Sie ihn selbst?«, fragte ich und sah misstrauisch die Teekanne an.
»Du lieber Himmel, nein«, sagte Dick. »Den hab ich von dieser Mrs Morrow, die Miss Mintys Cottage gemietet hat. Sie sagt, da ist nichts weiter drin als die Heilkraft der Natur.«
»Miss Mintys Cottage?«, fragte ich, als Dick meine Tasse füllte. »Ich dachte, Mrs Morrows Haus heißt Briar Cottage.«
»Das stimmt auch«, sagte Dick, »aber in meiner Kindheit hieß es immer Miss Mintys Cottage.
Und so werde ich es wohl bis ans Ende meiner Tage nennen, egal, was im Grundbuch steht.«
Während Dick sprach, fielen mir wieder Mr Farnhams Worte ein: Ist doch immer Peacocks Pub gewesen und wird immer Peacocks Pub sein .
Hatte ich womöglich eines jener seltenen Exemplare gefunden, einen Einheimischen aus diesem Dorf? Ich sah Dick mit neuem Interesse an.
»Mr Peacock …«
»Für Sie sind wir Dick und Chris!«, rief Christine von der Bar her.
»Und ich bin Lori«, erwiderte ich. Ich sah zu, wie Dick seinen Heiltee gegen Gicht mit sechs Löffeln Zucker versah, dann nahm ich erneut Anlauf. »Wie lange wohnen Sie schon in Finch, Dick?«
»Neunundfünfzig Jahre. Genauer gesagt, mein ganzes Leben. Die einzige Zeit, wo ich nicht hier war, war meine Militärzeit. Da hab ich Chris kennen gelernt.«
»Unser Martin ist auch beim Militär«, sagte Chris und deutete auf das Foto. »Er ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten.«
»Unser Martin ist weiter gekommen als sein Vater«, sagte Dick stolz. »Ich hatte gehofft, er würde eines
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