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Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Tante Dimity und der Fremde im Schnee

Titel: Tante Dimity und der Fremde im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Wohnzimmer und betrachtete stirnrunzelnd die Deckenbalken und die Kamineinfassung aus Eiche.
    »Sieht so aus, als hätten dich die Weihnachtselfen vergessen«, meinte sie, als ich mich neben ihr auf das Sofa setzte. »Was ist aus all dem Ginster geworden, den ihr gesammelt habt, und den Zweigen von Immergrün? Sollten die nicht längst irgendwo hängen?«
    »O ja«, sagte ich und füllte ihre Tasse auf.
    »Bill und ich wollten gerade damit beginnen, als er abreisen musste, zu einer Beerdigung in Boston. Und als ich die Sache mit Willis senior in Angriff nehmen wollte, hat sich mein Schwiegervater erkältet.«
    »Und was hast du sonst noch so gemacht?«
    Emma trank einen Schluck Tee.
    »Ich habe einen bewusstlosen Landstreicher und einen römisch-katholischen Priester angeschmachtet«, sagte ich nonchalant. »Und du?«
    Emma musste husten und prustete den Tee auf ihren handgestrickten, blaugrauen Pullover.
    Schnell nahm ich ihr die Teetasse ab und betupfte das wertvolle Stück mit einer Serviette aus Kattun.
    »Ach, lass doch den Pullover«, stieß Emma hervor und schob meine Hand weg. »Erzähl mir von dem Priester!«

    Also erzählte ich ihr von Julian, von seinen Selbstzweifeln, seiner Hingabe und seiner anrührenden Verletzlichkeit, und ich erzählte ihr von Kit, der noch immer bewusstlos auf der Intensivstation lag. Als ich geendet hatte, war Emmas Pullover getrocknet und der Tee kalt.
    »Jetzt verstehe ich, was Peggy Kitchen vor sich hingemurmelt hat.« Emma streifte ihre Schuhe ab, schob ein Bein unter das andere und sah mich an. »Als ich heute Morgen das Emporium betrat, brabbelte sie irgendwas davon, dass du das Dorf mit unerwünschten Elementen bevölkerst. Ich dachte, sie redet über deine Weihnachtsparty, aber sie muss Kit gemeint haben.«
    Emma kicherte boshaft. »Schade, dass Julian keinen Priesterkragen trägt. Dann hätte sie wirklich etwas zum Tratschen.«
    »Papisten und Vagabunden.« Ich kreuzte die Hände über dem Herz. »Meine Leute! Aber im Ernst, Emma«, ich legte die Füße auf den Sofatisch und meinen Kopf auf das Rückenpolster,
    »ich weiß nicht, warum ich für diese beiden Männer so starke Gefühle hege.«
    »Nun, du hast mit Julian ein Team gebildet, das kann einander schon sehr nahe bringen. Was Kit betrifft …« Emma griff nach Reginald, der irgendwie zwischen den Sofakissen gelandet war.

    »Ich glaube, du willst ihn bemuttern. Das ist nur allzu natürlich, schließlich ist er noch hilfloser als ein Neugeborenes.« Ich kräuselte die Lippen und bewunderte im Stillen Emmas Fähigkeit, selbst die emotionalsten Situationen auf ein vernünftiges Maß herunterzuschrauben. »Mit anderen Worten«, meinte ich trocken, »ich bin wegen einer Mischung aus Teamgeist und Mutterinstinkt so in Wallung geraten.«
    »Eros spielt vielleicht auch eine Rolle«, räumte Emma nun plötzlich ein. »Du hast eine Schwäche für verwundete Prinzen.« Sie warf mir einen leicht verschlagenen Blick zu. »Ich werde Bill raten, es mit Hinken zu versuchen, wenn er nach Hause kommt.«
    »Wenn er nicht bis Weihnachten nach Hause kommt, wird er vielleicht wirklich hinterher hinken«, murrte ich.
    »Siehst du?«, sagte Emma. »Du liebst deinen Ehemann noch immer.« Sie setzte Reginald auf die Seitenlehne des Sofas und verschränkte die Arme. »Ich habe gestern mal ein paar von den Namen auf der Liste im Internet recherchiert.
    Drei der Männer wurden im Kampf getötet, bei Bombereinsätzen über Deutschland. Einer war Kriegsgefangener, aber die anderen haben den Krieg ohne einen Kratzer überstanden.«

    »Die Lebenden und die Toten«, murmelte ich nachdenklich. »Das hätte ich nicht gedacht.«
    »Kit hat etwa 600 Namen auf eine Seite gequetscht«, erklärte Emma. »Das sind über 100000 Namen. Der Mann vom Imperial War Museum bezifferte die Gesamtzahl der Männer, die in der Bomberstaffel gedient haben, auf 125000. Es sieht so aus, als habe Kit sie alle aufgelistet.«

»Ich schätze, dass man für die Lebenden ebenso beten muss wie für die Toten«, überlegte ich laut.
    »Vielleicht noch mehr«, sagte Emma. »Dürfte ich mir mal die Orden ansehen, die Kit mit sich herumtrug?«
    »Natürlich.« Ich holte den Lederbeutel. Als ich zurückkehrte, hatte Emma Stift und Notizbuch bereit und schrieb jeden Orden, jede Medaille, jedes Band und jedes Abzeichen auf.
    »Was hast du vor?«, fragte ich.
    »Mir scheint«, sagte sie, während sie Stift und Notizbuch wieder in ihrer Handtasche verstaute,
    »dass nur eine Handvoll

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