Tante Dimity und der unbekannte Moerder
merkwürdig, dass anscheinend niemand Näheres weiß?« Er schüttelte den Kopf, als wäre er tatsächlich zutiefst betrübt.
»Ein Anwalt würde sich mit solchem Gerede ganz sicher eine Ermahnung wegen Beeinflussung von Zeugen einhandeln.« Er verspottete mich, zwinkerte aber so verschmitzt mit den Augen, dass ich ihm einfach nicht böse sein konnte.
»Na gut«, gab ich mich geschlagen. »Ich bin hingefahren, um die Pyms mal ein bisschen anzuzapfen. Mrs Hoopers Tod hat eben meine Neugierde geweckt. Deine etwa nicht?«
»Wie ich gesagt habe: Wir beide sind aus demselben Grund gekommen.« Nicholas sah auf seine Uhr. »Wir werden erst in einer halben Stunde im Pfarrhaus erwartet. Außerdem könnten meine Lungen wohl durchaus noch ein, zwei Liter unverpesteten Sauerstoff vertragen. Komm, vertreten wir uns die Beine.«
Ein böiger Wind spielte mir Nicholas’ langem Haar, als wir uns vom Rover entfernten. Da die Grasstreifen, die das schmale Sträßchen säumten, noch nass waren, gingen wir in der Mitte nebeneinander her. Auf Autos brauchten wir nicht zu achten. Das Sträßchen wurde so selten benutzt, dass wir auf dem ausgebleichten Mittelstrich genauso gut ein Sonnenbad hätten nehmen können.
Nicholas redete, und ich hörte zu. Wie er mir berichtete, war bei den polizeilichen Ermittlungen kaum mehr herausgekommen als das, was sein Onkel und seine Tante – und alle anderen Bewohner von Finch – bereits wussten: Mrs Hooper war am Donnerstag, dem 22. März, zwischen fünf und neun Uhr morgens mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden; auf den oder die Täter fehlte jeder Hinweis.
Und offenbar war sie dort getötet worden, wo man sie gefunden hatte: im Wohnzimmer des Crabtree Cottage. Türen und Fenster waren unverriegelt, doch die Polizei hatte keinerlei Spuren eines Diebstahls entdecken können. Und tatsächlich hatte sich bis zu diesem Tag niemand als Zeuge gemeldet, sah man einmal von Peggy Taxman ab, die die Leiche gefunden hatte.
»Mrs Taxman war offenbar gekommen, um sich die Miete auszahlen zu lassen«, erklärte Nicholas. »Sie und Mrs Hooper kannten sich aus ihrer Zeit in Birmingham, ehe Mrs Taxman dann nach Finch zog.«
»Nach allem, was ich so über sie gehört habe, hat sie gut zu Mrs Taxman gepasst«, bemerkte ich trocken.
»Mrs Taxman ist eine energische Persönlichkeit«, bestätigte Nicholas.
Ich hob mahnend einen Zeigefinger. »Sie ist schrecklich! Und falls sie einmal nur so nebenbei ein Fest in der Kirche erwähnen sollte, suchst du besser schleunigst das Weite, sonst drückt sie dir garantiert das Kinderreiten aufs Auge.«
»Ich verstehe«, grinste Nicholas. »Eine von den Damen, die alles organisieren. Von der Sorte gibt es wohl in jedem Dorf eine. Danke für die Warnung.«
»Nicht der Rede wert.« Ich war froh, dass zur Abwechslung ich ihn zum Lachen gebracht hatte anstatt umgekehrt.
Alles andere als lustig war es freilich, dass die Ermittlungen den Pfarrer derartig erschütterten.
Da die Polizei weiter im Dunkeln tappte, war Theodore Bunting in eine so tiefe Depression verfallen, dass er sich am Vorabend in seiner Bibliothek eingesperrt und beim Morgengottesdienst das Tagesgebet vergessen hatte.
»Ich mache mir Sorgen um meinen Onkel«, erklärte Nicholas. »Und weil ich hier im Pfarrhaus ohnehin unterbeschäftigt bin, habe ich mir gedacht, dass ich der Polizei ein bisschen Arbeit abnehmen und mich mal selbst umsehen oder zumindest umhören sollte. Auf die Pyms hat mich Tante Lilian gebracht. Da habe ich mir gedacht, dass sie einen guten Anfang abgeben könnten.«
»Sie wissen normalerweise über alles Bescheid«, stimmte ich ihm zu. »Aber die Polizei würde sich an ihnen garantiert die Zähne ausbeißen.«
»Es erfordert tatsächlich ein geschultes Ohr, um aus ihren Auslassungen schlau zu werden«, meinte Nicholas mit einem schiefen Grinsen.
Wir gingen schweigend weiter. Noch überlegte ich, was dafür und was dagegen sprach, Nicholas zu bitten, sich in dieser Angelegenheit mit mir zu verbünden. Er hatte ja bereits eine gewisse Bereitschaft zu erkennen gegeben, Informationen mit mir zu teilen, und er würde zuzuhören wissen. Außerdem hatte er einen guten Draht zu sehr unterschiedlichen Menschen bewiesen und würde als Neffe des Pfarrers leicht Zugang in das Beziehungsgeflecht finden, das das Leben im Dorf bestimmte. Und nicht zuletzt fand ich ihn angenehm. Alles in allem würde er einen guten Ersatz für Emma abgeben.
Ich blieb abrupt stehen. »Nicholas«, sagte
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