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Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Titel: Tante Dimity und der unbekannte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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und die feinen Linien auf seiner Stirn hatten sich zu Furchen vertieft. Man hätte meinen können, er wäre in den letzten drei Monaten um zehn Jahre gealtert.
    »Nicholas hat mir gesagt, dass Sie und er versuchen wollen, diese schlimme Angelegenheit zu klä ren«, murmelte er, während er mir die Hand drückte. »Meine Gebete werden Sie beide begleiten, denn dass die Dorfbewohner ihrem Pfarrer reinen Wein einschenken, ist weiß Gott nicht zu erwarten.«
    »Das ist zu ihrem eigenen Schaden«, sagte ich fest. »Aber ich will jedenfalls nicht, dass Sie sich zu Tode grämen, nur weil die Leute zu dumm sind, zu begreifen, was gut für sie ist.«
    »Hör auf Lori.« Nicholas ergriff seinen Onkel am Ellbogen und führte ihn zum Kopfende des Tisches. »Es ist deine Pflicht, bei Kräften zu bleiben. Deine Herde wird dich mehr denn je brauchen, wenn die Wahrheit ans Licht kommt.«
    »Falls das jemals geschieht.«
    »›Sei in deinen Taten wie ein Gläubiger, und dir wird Glaube gegeben‹ … Huch!« Nicholas grinste den Pfarrer verschmitzt an. »Tut mir leid, Onkel Teddy. Das fällt wohl eher in dein Gebiet.«
    So etwas wie ein Lächeln zuckte über Theodore Buntings Lippen, und Lilian strahlte so glücklich, als hätte ihr Mann ein Lied geschmettert.
    Als ich dann beobachtete, wie der Pfarrer seinen grünen Salat vertilgte, stieg mein Vertrauen in mein frisch gebackenes Joint Venture mit einem Schlag ins Unermessliche.
    Nicholas konnte wirklich gut mit Menschen umgehen.

8
    DAS MITTAGESSEN WAR in jeder Hinsicht angenehmer, als ich erwartet hatte. Lilian sorgte dafür, dass das Gespräch sich um meinen Besuch in den Staaten drehte – Hauptsache, ihr Mann wurde von den jüngsten Geschehnissen im Ort abgelenkt –, während Nicholas und ich unser Bestes taten, um das liebevoll zubereitete Menü aus Roastbeef, neuen Kartoffeln, frischem Spargel und gemischten Beilagen zu vertilgen. Wir nahmen gerade die Nachspeise in Angriff – eine traumhafte crème brûlée , die mit echter Vanille gemacht war –, als ich jäh hochfuhr und Richtung Fenster starrte.
    »Mit deinem Charme kannst du ja einer Katze ihre Schnurrbarthaare abschwatzen«, meinte ich an Nicholas gewandt. »Aber wie gut bist du mit Drachen?«
    »Unerschrocken.«
    »Dann polier schon mal deine Rüstung, denn wir ziehen gleich in die Schlacht.«
    Nicholas’ Augen folgten meinem Blick und registrierten gerade noch, wie Peggy Taxman zielstrebig am Pfarrhaus vorbeistapfte. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt und trug mit beiden Händen einen in Cellophan gewickelten Blumenstrauß vor sich her.
    »Sie geht zum Friedhof«, sagte Lilian. »Das macht sie jeden Tag. Sie muss ein kleines Vermö gen für Blumen ausgeben.«
    »Irdische Güter sind von geringer Bedeutung, wenn man einen Freund verloren hat«, bemerkte der Pfarrer.
    »Das mag schon sein«, erwiderte Lilian spitz,
    »aber es wäre das erste Mal, dass irdische Güter Mrs Taxman wenig bedeuten würden.«
    Während seine Tante und sein Onkel über diese Frage debattierten, aß Nicholas schweigend seine crème brûlée und legte dann seinen Löffel auf den Teller.
    »Ich wollte heute den Toten die Ehre erweisen«, murmelte er und sah mich von der Seite mit fröhlich glitzernden türkisgrünen Augen an.
    »Möchtest du vielleicht mitkommen?«
    »Ich bringe die vergoldeten Ingwerplätzchen mit«, erklärte ich, »und du die guten Friedhofsmanieren.«

    Die Kirche von Sankt Georg stand am oberen Ende der Saint George’s Lane inmitten eines gepflegten Friedhofs, der ringsum von einer niedrigen Steinmauer umgeben war und durch ein mit Schindeln überdachtes Tor betreten werden konnte. Es war ein friedlicher Ort voller verwitterter Grabstätten, der im Sommer im Schatten zweier mächtiger Zedern lag und kreuz und quer von Kieswegen durchzogen war.
    Auch die sterblichen Überreste von Tante Dimity waren hier begraben, unter einem Gewirr von Sträuchern, das bald von einem Meer aus herrlich duftenden rosa Rosen überflutet würde.
    So irrational das war, ich freute mich ungemein, als ich sah, dass ihre letzte Ruhestätte weit von der Mrs Hoopers entfernt war. Ich bezweifelte, dass es jemals zwei weniger verwandte Seelen geben würde.
    Das jüngste Grab im Friedhof von Sankt Georg lag in der mit Gras überwachsenen südwestlichen Ecke. Schon von außen konnten wir Peggy Taxman sehen, wie sie, den Kopf gesenkt und die Hände gefaltet, da stand, als wäre sie in ein Gebet versunken. Als wir durch das Tor gingen, hatte

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