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Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Titel: Tante Dimity und der unbekannte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Gesicht zu wischen und das wunde Gesäß zu reiben, ehe ich nach dem Lichtschalter griff. Ich drehte ihn mehrmals, doch nichts geschah. Mit einem erstickten Wutschrei tastete ich nach der Streichholzschachtel, die Bill eigens für solche Notfälle bereitgelegt hatte.
    Stromausfall wegen widriger Wetterverhältnisse war in Finch keine Seltenheit.
    Bei Kerzenlicht legte ich die nassen Sachen ab und zog eine schwarze Stoffhose und einen rubinroten Chenillepullover an. Dann blies ich die Kerze aus, öffnete die Tür zum Büro und tastete mich vorbei an der Kopiermaschine, dem Faxgerät, dem Drucker, den Aktenschränken und zahllosen anderen Hindernissen bis zum Vorderfenster.

    Wie sehr sehnte ich mich nach einer schönen, heißen Tasse Tee, doch aus Angst vor dem verrä terischen Pfeifen des Wasserkessels wagte ich es nicht, den Wasserkocher einzuschalten. So kauerte ich mich vor das Fenster, drückte Reginald an mich, um mich etwas zu wärmen, und wünschte mir, er wäre Nicholas.
    Dieser müßige Gedanke erschreckte mich dann doch etwas, und ich versuchte ihn beiseitezuschieben. Aber während die Minuten verstrichen, kehrte er immer wieder hartnäckig zurück und forderte mit Nachdruck meine Aufmerksamkeit, sodass ich mich ihm schließlich hingab.
    Es hatte keinen Zweck, meine kleine Schwä che für Nicholas zu leugnen, und Bills Abwesenheit machte die Situation nicht unbedingt leichter. Zum ersten Mal kam mir in den Sinn, was für ein Glück es doch war, dass derart neugierige Wachhunde auf meine Ehe aufpassten, da ich offenbar so schlecht dafür gewappnet war, sie aus eigener Kraft zu beschützen. Brauchte eigentlich jede Ehe die Unterstützung der Dorfgemeinschaft, fragte ich mich bedrückt. Jede vielleicht nicht, doch meine ganz offensichtlich schon, und zwar nicht wegen irgendeines Fehlers auf Bills Seite, sondern aufgrund meiner chronischen Anfälligkeit für charmante Männer.

    Mein Grübeln wurde jäh unterbrochen, als ich plötzlich erspähte, wie die Tür des Pubs aufging und Dick Peacock in einen gewaltigen Regenumhang gehüllt ins Freie trat. Es war genau eine Minute nach fünf. Eine blasse Ahnung grauen Lichts hatte begonnen, das Schwarz über dem Platz zu durchdringen, und Dick, zumal in dieser Zeltplane, sah so riesig und furchterregend aus wie eine Sturmwolke.
    Er blickte kurz auf die Uhr, dann ließ er den Blick über den Platz schweifen. Reginald und ich duckten uns, als er in unsere Richtung schaute.
    Ich zählte bis zehn, ehe ich es wagte, meinen und Reginalds Kopf wieder zu heben. Dick starrte jetzt zur Saint George’s Lane. Ungeduldig trat er von einem Fuß auf den anderen.
    Mein Puls begann zu rasen, als ich plötzlich das dumpfe Geräusch eines Motors hörte, der soeben heruntergeschaltet wurde. Eine Sekunde später tauchte ein grauer Van aus dem Sträßchen auf und hielt vor dem Pub. Schon war Dick herangetreten und öffnete die Hecktür, während der Fahrer ausstieg. Gemeinsam machten sich die zwei Männer daran, Kartons auszuladen und in den Pub zu schleppen. Sie arbeiteten zügig und mit der Effizienz eines gut eingespielten Teams.
    Die nicht beschrifteten Kartons schienen ziemlich schwer zu sein. Die beiden schafften je drei ins Haus, dann schloss Dick die Hecktür und reichte dem Fahrer ein kleines weißes Päckchen –
    einen Umschlag? –, ehe er zurück in den Pub eilte. Der Fahrer verstaute das Päckchen im Handschuhfach und fuhr zum Wenden einmal um den Platz. Reginald und ich gingen erneut auf Tauchstation, als er am Wysteria Lodge vorbeikam, aber bevor der Van wieder in der Saint George’s Lane verschwand, kritzelte ich die Nummer auf einen Zettel.
    Und das war’s auch schon. Das Drama war vorbei. Es regnete immer noch. Nach und nach ging die von einer dicken Wolkendecke verschleierte Sonne auf, aber die Gebäude rund um den Platz schienen genauso leblos wie die verwitterten Grabsteine auf dem Friedhof.
    Ich hockte mich auf die Fersen und starrte gedankenverloren in Reginalds schwarze Knopfaugen.
    »Schwarzhandel«, murmelte ich. »Was meinst du, Reg? Schmuggelt Dick Peacock Schnaps nach Finch? Weiß Sally Pyne Bescheid? Und wichtiger noch, hatte Mrs Hooper es spitzgekri …?« Ich verstummte abrupt. Ein Luftzug war zu mir her übergeweht.
    Jemand hatte die Hintertür geöffnet.

    Ich presste mir Reginald an die Brust und kroch hinter Bills Schreibtisch, von wo ich ängstlich in Richtung Abstellkammer spähte. Schon wollte ich nach dem Telefon greifen, als ich einen dumpfen

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