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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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sehen, wie das Licht auf der filigranen Oberfläche und in den glitzernden Edelsteinen spielte. Ich fragte mich, wer es angefertigt hatte und wie es hierher gekommen war, in dieses hässliche kastenförmige Haus im Südwesten von Surrey. Mit freudigem Schrecken fragte ich mich plötzlich, ob die anderen Kisten, die dort an der Wand gestapelt waren, mit ähnlichen Schätzen gefüllt waren. Wenn Gerald nur einen dieser Gegenstände im Jahr verkaufte, würde sein Bankkonto für alle Zeiten gut gefüllt sein.
    Ich hielt das Reliquiar noch immer in der Hand und drehte es im Licht hin und her, als die Tür hinter mir geöffnet wurde und eine tiefe, wohltönende Stimme sagte: »Ah, hier sind Sie also.«
    Unwillkürlich hielt ich das Reliquiar so fest, dass ich mir an dem kannelierten Strahlenkranz den kleinen Finger schnitt. Der scharfe Schmerz brachte mich wieder in die Gegenwart zurück und ich stellte das Kreuz auf den Tisch zurück.
    »Verzeihen Sie«, sagte ich und sah Gerald an.
    »Ich – ich wollte nicht herumschnüffeln, aber ich hatte die Türen verwechselt und dann sah ich das Reliquiar und irgendwie habe ich …«
    »Natürlich.« Gerald zuckte die Schultern. »Das kann doch jedem passieren. Außerdem scheint heute mein Tag für neugierige Besucher zu sein. Ich fürchte, ich musste gerade Ihren jungen Schützling mit Gewalt davon abhalten, nach oben zu gehen und die Schlafzimmer zu durchsuchen.«
    »O Gott …«, stöhnte ich. Ich senkte den Kopf und griff mir peinlich berührt an die Stirn.
    »Macht nichts«, sagte Gerald und trat zu mir.
    »Jetzt ist sie im Wohnzimmer unter dem wachsamen Blick meiner Haushälterin. Wollen wir …« Er unterbrach sich. »Du liebe Zeit, Miss Shepherd, Sie haben sich verletzt.« Und ehe ich protestieren oder ihn abwehren konnte, nahm er mein Handgelenk und zog meine Hand sanft an sich.
    »Geschieht mir recht«, sagte ich mit unsicherem Lachen. »Ich hätte eben nicht …«
    »Pst«, sagte Gerald. Mit einer geschickten Bewegung hatte er die Brille aus der Brusttasche gezogen und aufgesetzt, dann sah er mich über den Rand hinweg an. »Wie könnte jemand beim Anblick eines so schönen Gegenstands auch überlegt reagieren?«
    Ich merkte, wie meine Knie zitterten, und zwang mich, auf das Reliquiar herunterzusehen statt in Geralds Augen, die an das Meer erinnerten. »Sind Sie ein Sammler, Mr Willis?«
    »Nein, ich katalogisiere nur«, erwiderte er.
    »Und bitte, nennen Sie mich Gerald. Mit einer Frau, die ein Reliquiar als solches erkennt, würde ich mir unbedingt einen formlosen Umgang wünschen.« Er beugte sich über meine Hand und für einen verrückten Augenblick dachte ich, er würde das Blut wegküssen. »Eine ernste Wunde, jedoch nicht tödlich, denke ich«, murmelte er, indem er meinen kleinen Finger betrachtete. »Ein kleines Pflaster, und Sie werden im Nu wieder auf den Beinen sein.« Er ließ meine Hand los, und ich tat einen kleinen Seufzer, dann räusperte ich mich und versuchte, etwas Vernünftiges zu sagen.
    »Ich hoffe, Sie nehmen meine Entschuldigung wegen Nicolette an …«, brachte ich heraus.
    »Keine Ursache«, unterbrach Gerald zwinkernd.
    »Mademoiselle Gascon versicherte mir, Sie wüssten nichts über den wirklichen Grund, warum sie herkommen wollte. Sie fing an, mir eine faszinierende Geschichte zu erzählen, aber ich bat sie, zu warten, bis Sie dabei sind.« Sein ironisches Lächeln verriet, dass er kein Wort von dem glaubte, was Nell ihm erzählt hatte. »Ich weiß gar nicht, womit ich so viele Besucher an einem Tag verdient habe.
    Der erste war natürlich Ihr Chef.«
    »MMr Willis?«, fragte ich, und meine Gedanken rasten. »Er sagte mir, er wolle einen … einen entfernten Verwandten besuchen.«
    »Ziemlich entfernt«, gab Gerald sofort zu. »Bis zum heutigen Tag hatte ich keine Ahnung von seiner Existenz.« Gerald deutete auf die Tür. »Wollen wir Mrs Burweed bei der Wache ablösen?«
    Als wir den Lagerraum verließen, konnte ich nicht umhin, Gerald dafür zu bewundern, mit welcher Ruhe er darauf reagierte, dass zwei völlig fremde Menschen in seinem Haus herumliefen. Er hätte allen Grund gehabt, aufgebracht zu sein –  entrüstet sogar –, aber stattdessen schien er über Nells unleidliches Benehmen eher verwundert zu sein, und seltsam angetan von meinem. Gerald Willis musste die Geduld eines …
    Ich ertappte mich mitten im Satz und hätte beinahe laut aufgelacht. Innerhalb weniger Minuten war aus meinem verschwenderischen Schürzenjäger ein

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