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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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sind, ich … ich …«
    »Pst«, sagte Gerald. »Sie brauchen gar nichts zu sagen.« Er stand auf und reichte mir die Hand, um mich ebenfalls hochzuziehen. »Kommen Sie, ich begleite Sie jetzt ins Hotel zurück. Wenn Sie morgen früh aufbrechen wollen, sollte es heute sicher nicht zu spät werden.«
    Verzweifelt stand ich in dem Vorbau und wartete auf Gerald, der das Licht ausknipste. Es war ein schrecklich langer Tag gewesen, und der Augenblick der Ruhe, den ich gehofft hatte, in St. Bartholomäus zu finden, war durch Geralds Auftauchen zunichte gemacht worden.
    Du hättest Willis senior besser im Auge behalten sollen , flüsterte die leise Stimme in meinem Hinterkopf, und ich zuckte zusammen, denn sie hatte Recht. Wenn ich seine Unzufriedenheit eher bemerkt hätte, wenn ich mich stärker bemüht hätte, Bill darauf aufmerksam zu machen, dann hätte ich diese ganze traurige Geschichte hier verhindern können.
    Gerald kam zurück, und wortlos machten wir uns auf den Weg durch den dunklen Kirchhof und zu der Gasse zwischen den Mauern. Der noch nicht ganz volle Mond warf silbernes Licht auf den Asphaltweg, und die Luft war voller Nachtgeräusche, Grillen zirpten, Frösche quakten und Fledermäuse flatterten an den Straßenlaternen vorbei, aber hinter den Mauern waren keine Stimmen mehr zu hö ren – die Bewohner hatten sich aus der kühlen Abendluft in ihre warmen Häuser zurückgezogen.
    Ich schlang die Arme um mich und fröstelte.
    »Hier, ziehen Sie das an.« Gerald hatte seine Wildlederjacke ausgezogen und hängte sie mir um.
    »Es ist nicht viel, aber …«
    Ich blieb stehen und sah ihn an. Sein Gesicht lag im Schatten, aber das Licht der Laterne ließ sein Haar rotgolden aufleuchten. »Ich weiß, dass Sie mir helfen würden, wenn Sie könnten, Gerald. Und dafür bin ich Ihnen dankbar.«
    »Vielleicht, wenn Sie mit seinem Sohn sprächen
    …«
    »Sein Sohn«, erwiderte ich bitter. »Sein Sohn sollte eigentlich mit mir hier sein, statt …« Mein Hals war wie zusammengeschnürt, und ich sah weg, weil ich versuchte, meine Tränen zu unterdrücken.
    »Miss Shepherd«, murmelte Gerald. Er nahm mich beim Kinn und hob mein Gesicht hoch. »Dieser verheiratete Sohn von Willis ist ein Dummkopf.

    Aber ich beneide ihn um Ihre Tränen und Ihre Treue.« Er legte seinen Arm um mich, beugte sich zu mir herab und küsste mich, und obwohl meine Handflächen gegen seine Brust drückten, bot ich keinerlei Widerstand.
    Als er die Umarmung löste, umgab mich ein rotgoldener Nebel, in dem ich zum Hotel zurückschwebte. Ich ging eng an ihn gelehnt, meine Trä nen waren vergessen und ich hörte kein Geräusch außer dem leisen, aber nachdrücklichen Klopfen meines Herzens. Als wir den Eingang des Hotels erreicht hatten, hob er kurz meine Finger an seine Lippen, dann verschwand er ohne ein weiteres Wort in der Nacht.
    Ich sah ihm nach, bis die Dunkelheit ihn geschluckt hatte, dann glitt ich die Treppe hinauf, und als eine leise Stimme mich an den Preis für derlei Kopflosigkeiten erinnern wollte, ignorierte ich sie. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich geliebt und umsorgt, und das Einzige, was mich jetzt beschäftigte, war die Erinnerung an Geralds Lippen auf meinen.
    Als ich ins Zimmer kam, schlief Nell schon, sie hatte sich in dem Bett am Fenster zusammengerollt, Bertie neben sich. Aber Reg war noch wach, er saß auf dem Kopfkissen des anderen Bettes und sah ganz aus wie ein Vater, der in den letzten drei Stunden dauernd ungeduldig auf seine Armbanduhr gesehen hatte.
    »Das geht dich gar nichts an«, murmelte ich, und als ich mein Nachthemd aufhob, das Nell für mich ausgepackt hatte, merkte ich, dass ich vergessen hatte, Gerald seine Jacke zurückzugeben. Ich strich über die Ärmel und ließ sie von meinen Schultern gleiten, dann kehrte ich Reginald den Rücken zu, vergrub mein Gesicht in dem weichen Wildleder und atmete seinen Duft ein.

12
    AM NÄCHSTEN MORGEN wachte ich mit ei nem so gewaltigen seelischen Kater auf, dass mir davon übel wurde. Ich konnte Bills Nummer am Little Moose Lake gar nicht schnell genug wählen.
    Ich nahm das Telefon mit ins Badezimmer, um Reginalds immer wachen Augen zu entkommen, und setzte mich auf den Rand der Badewanne, während es am anderen Ende klingelte und klingelte.
    Was hatte ich getan? , jammerte mein Gewissen.
    Warum hatte ich Gerald erlaubt, mich zu küssen?
    Was war ich für eine Ehefrau?
    Zugegeben, ich war erschöpft und deprimiert gewesen, außerdem besorgt um Willis

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