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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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also war nicht alles umsonst gewesen. »Ich fand Lucy nett, du auch?«, fragte sie und kehrte damit zu einem weitaus erfreulicheren Thema zurück.
    »Ja, sehr«, entgegnete ich. »Außerdem bewundere ich sie. Sie trauert diesem Schleimer Douglas nicht nach, wie es Anthea tut. Sie behält einfach den Kopf oben und macht weiter.« In meine Bewunderung für Lucy mischte sich echte Sorge.
    Jetzt, wo Gerald weg war, hatte sie niemanden, auf den sie sich verlassen konnte, nur zwei unerfahrene jüngere Schwestern und diesen netten Tollpatsch, Arthur. Man sah ihr die Erschöpfung an. Wie lange würde es noch dauern, ehe sie zusammenbrach?
    »Ich glaube, Julia Louise wäre stolz auf sie«, fuhr Nell fort. Sie sah mich von der Seite an und fügte hinzu: »Außerdem glaube ich, dass Lucy Gerald liebt.«
    Ich merkte, dass ich rot wurde, nickte jedoch zustimmend. »Ich glaube, du hast Recht. Ich möchte nur wissen, was er getan hat, dass sie so böse auf ihn ist.«
    »Nun, da ist doch diese Frau, mit der er sich im Flamborough trifft«, erinnerte Nell mich.
    »Ach, komm, Nell«, wandte ich ein. »Du hast doch Gerald gesehen. Glaubst du wirklich, er würde einen kleinen runden Kloß wählen, wo er doch praktisch die große Auswahl hat? Und wer würde ausgerechnet das Flamborough für so eine geschmacklose Affäre wählen? Arthur sagte doch selbst, es ist eher ein Hotel, in das Lucy mit ihren Klienten essen geht.«
    »Essen ging«, verbesserte Nell.
    »Wie auch immer. Jedenfalls glaube ich das nicht.« Ich lehnte mich zurück, schob mir die letzten fettigen Pommes in den Mund und dachte ernsthaft über die Sache nach. Sicher hatte Gerald etwas mit dem Kloß zu tun, aber musste es eine Affäre sein? Der Kloß war womöglich eine frühere Kollegin. Miss Kingsley und Arthur hatten vielleicht ein zufälliges Treffen zwischen alten Freunden falsch eingeschätzt – Miss Kingsley auf Grund ihrer natürlichen Prüderie, und Arthur, weil er seit der Geschichte mit dem Schürzenjäger Douglas alle männlichen Willis im selben Licht sah.
    Vielleicht hatte Gerald selbst das Missverständnis noch geschürt. Vielleicht benutzte er den Kloß, um Lucy auf Distanz zu halten. Schließlich waren er und Lucy Vetter und Cousine ersten Grades, und obwohl es in England Ehen unter engen Verwandten gab, hatte Gerald vielleicht gute Gründe, warum er das in diesem Fall vermeiden wollte. Inzucht konnte zu ernsthaften Komplikationen führen – Onkel Williston war möglicherweise ein gutes Beispiel dafür.
    Vielleicht war es auch möglich, dachte ich mit gemischten Gefühlen, dass Gerald Lucy nicht liebte. Der Druck, der auf einem lastete, wenn man mit jemandem zusammenarbeitete, dessen tiefe Gefühle man nicht erwidern kann, war vielleicht zu groß für ihn gewesen. Als sein Vater, Anthea und Williston plötzlich aus der Firma ausschieden, war es vielleicht zu eng für ihn geworden. Vielleicht war er nach Haslemere gegangen, um sich selbst und Lucy noch größeres Leid zu ersparen.
    Ein warmes Gefühl der Zuneigung überkam mich, als ich an eine weitere Möglichkeit dachte: Hatte Gerald vielleicht sogar diese Fehler, die man ihm nachsagte, absichtlich gemacht? Wie, wenn er ins Exil gegangen wäre, um seine verliebte Cousine vor einer Demütigung zu bewahren? Es war nicht schwer für mich, mir das vorzustellen. Gerald hatte mich so rücksichtsvoll behandelt, dass ich ihn mir nicht anders als ausgesprochen ritterlich vorstellen konnte, wenn es um Lucy und die Firma ging.
    Aber als ich Reginalds wissendes Gesicht sah, musste ich mir eingestehen, dass ich nicht gerade eine unparteiische Beobachterin war.
    Beunruhigt lehnte ich mich zurück. Ich brauchte keinen Diplompsychologen, um zu erkennen, warum ich mich so intensiv mit Gerald beschäftigte, obwohl ich eigentlich an genug andere Dinge zu denken hatte.

    Gerald hatte mir seine Aufmerksamkeit geschenkt. Er hatte gemerkt, dass mich etwas bedrückte, und hatte sich bemüht, herauszufinden, was es war und wie er mir helfen konnte. Vielleicht war das am Ende genau das, was Liebe ausmachte und sie am Leben erhielt: das einfache, alltägliche Bemühen um Aufmerksamkeit. Schade, dass es in unserem Ehegelübde nicht erwähnt worden war.
    Warum sollte ich es Willis senior eigentlich ausreden, nach England zu ziehen?, fragte ich mich plötzlich. Ich könnte doch mitkommen. Ich wäre wohl in der Lage, mich mit einem Faxgerät im Haus abzufinden, sogar mit einem Kopiergerät.
    Aber ich war mir nicht sicher, ob ich mich

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