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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Kind eines Kutschenbauers in Bath.« Er wandte sich an niemanden im Besonderen und sprach wie geistesabwesend, wobei er unbeweglich dasaß und nicht aufsah. »Ihre Eltern starben, als sie noch ziemlich klein war, aber ihr Vater hatte für ihre Zukunft vorgesorgt. Er hatte Grundbesitz gekauft, von dessen Erträgen seine Tochter sehr gut leben konnte, und er hatte ihr Wohlergehen dem angesehensten Rechtsanwalt in Bath anvertraut.«
    »Der Firma Willis & Willis«, sagte Bill.
    »Damals war es erst ein Willis«, erklärte Gerald.
    »Sir Williston Willis, geadelt für seine Dienste am Königshaus. Er war verheiratet und hatte zwei Söhne, Zwillinge, und in seinem großzügigen Haus war mehr als genug Platz, um sein kleines Mündel Sybella aufzunehmen. Die Zeit verging, die Knaben wurden erwachsen, und der Vater starb.«
    »Das war der Zeitpunkt, als seine Witwe beschloss, in London ihr Glück zu versuchen«, sagte ich und sah aus dem Augenwinkel, wie Nell nickte.
    Gerald langte nach dem Eisbeutel und hielt ihn an sein geschwollenes Gesicht. »Julia Louise fasste nach dem Tod ihres Mannes so manchen Entschluss. Sie entschied, dass Sybella ihren älteren Sohn heiraten müsse, damit ihr wertvoller Besitz an ihn falle. Sie entschied auch, mit der Familie schon vor der Hochzeit in eines von Sybellas Häuser zu ziehen.«
    Nell nickte, während Gerald alle ihre Vermutungen bestätigte. »Aber Sybella hat den älteren Zwilling nicht geheiratet«, warf sie ein, »weil sie sich in den anderen verliebte. War es nicht so?«
    »Die dumme Sybella.« Gerald seufzte. »Nicht nur hat sie sich in Lord William, den Sündenbock, verliebt, sondern sie hat ihn auch geheiratet und Julia Louise vor die vollendete Tatsache gestellt.«
    »Julia Louise muss außer sich gewesen sein«, sagte Nell. »Hat sie Sybella auch verbannt, wie Lord William?«
    Geralds Mund verzog sich zu einem gequälten Lächeln. »Ich denke, das könnte man sagen, ja. Sie hat ihren Sohn in die Kolonien verbannt, wo er den Familienzweig von Vetter William gründete.«

    »Moment mal«, unterbrach ich. »Die Frau von Lord William hieß aber Charlotte irgendwas.
    Willst du etwa damit sagen, dass er Bigamie betrieben hat? War das die Schande, die Julia Louise ihm nicht verziehen hat?«
    Gerald krümmte sich, wie es schien in einem Anfall lautlosen Lachens, der aber mit einem Schluchzen endete. Er rieb sich einen Moment die Stirn, wie um seine Gedanken zu sammeln, dann stand er plötzlich auf und verließ das Zimmer. Als er wieder hereinkam, trug er eine Holzkiste, ähnlich denen, die ich am ersten Tag in dem Raum mit dem Reliquiar gesehen hatte. Er stellte die Kiste auf den Couchtisch und winkte uns, näher zu kommen. Ich stand neben Bill und sah nervös auf Gerald, dessen Reaktion auf meine Frage mich beunruhigte.
    Als wir alle um die Kiste standen, hob Gerald den Deckel hoch und ich beugte mich vor, um besser sehen zu können. Zuerst konnte ich nicht erkennen, was es war. Etwas Weißes, ein paar Stofffetzen, ein seltsamer modriger Geruch.
    »Großer Gott.« Bill fuhr zurück, die Hand über dem Mund, und schnappte nach Luft.
    Ich sah nochmals hin, und als mein Gehirn endlich glaubte, was meine Augen sahen, dachte ich, mein Herz bliebe stehen. Es war ein Schädel, ein menschlicher Schädel, der mich gespenstisch aus einem Häufchen menschlicher Knochen ansah. An den zarten Schläfen hingen noch ein paar blonde Haarsträhnen, und zwischen den brüchigen Gebeinen lagen die zerschlissenen Überreste eines bestickten Kleides. Ein Ring, der vielleicht einst der Ehering gewesen war, glänzte an einem der zerbrechlichen Fingerknochen, und ein Stückchen verschrumpeltes Leder – von einem Schuh? – lugte zwischen den Rippenknochen hervor.
    »Darf ich vorstellen – Sybella Willis.« Geralds Augen waren trübe und teilnahmslos. »Lange ehe er die Kolonien erreichte, war Lord William nämlich schon wieder Witwer.«
    »Sybella?«, flüsterte Nell und berührte mit der Hand ihr eigenes blondes Haar.
    Willis senior zog Nell an sich und befahl Bill, die Kiste zu schließen. Gerald schwankte, bis seine Knie nachgaben und er auf die Couch sank, das Gesicht in die Hände vergraben. Ich nahm Willis senior Nell ab und führte sie zu einem Sessel, während er eine Reiseflasche aus seinem Aktenkoffer nahm. Er schraubte den Verschluss ab und setzte sich neben Gerald. »Cognac«, sagte er fürsorglich.
    »Nimm einen Schluck.«
    Mit zitternden Händen nahm Gerald die Flasche und trank, dann gab er

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