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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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einen transatlantischen Transport zu überstehen, also wurden die beiden Freunde in ein Genesungsheim in England geschickt, an einen abgelegenen Ort auf dem Land, das von deutschen Raketen verschont blieb. An einen Ort namens Ladythorne Abbey.«
    Während wir die Haupttreppe hinabgingen, schwieg er und sprach erst wieder, als wir die Eingangshalle erreichten.
    »Nie zuvor hatten sie etwas Vergleichbares gesehen.« Seine tiefe Stimme hallte in dem riesigen Gewölbe wider. Er streckte eine Hand zu einem der Rosenholzengel aus, die auf den Treppenpfosten thronten, und fuhr mit der Fingerspitze die grazile Linie des Flügels nach. Dann trat er in die Mitte der Halle und ließ den Blick von der Kupferschüssel auf dem Wandtisch zu den Wappenmedaillons wandern, mit denen die Kassettendecke geschmückt war. »Die großen Landhäuser, die sie in Frankreich und Deutschland gesehen hatten, waren während des Kriegs stark beschädigt worden, doch Ladythorne, das verborgen in einem geheimnisvollen Tal lag, war unberührt, abgelegen, romantisch.«
    Er drehte sich abrupt um, nahm Wendy die Petroleumlampe aus der Hand und durchquerte die Halle zu einer Flügeltür zur Rechten der Treppe. Er stieß beide Flügel auf und trat zur Seite, während er mir mit einer Kopfbewegung bedeutete einzutreten. Ich zögerte, dann trat ich an ihm vorbei in den angrenzenden Raum. Der übertraf die Eingangshalle sowohl in Größe als auch an Pracht. Jamie, der mir auf dem Absatz folgte, hielt die Lampe hoch, doch die bessere Beleuchtung ließ den Raum nur noch fantastischer erscheinen.
    Mächtige dunkle Eichenbalken durchzogen die weiß verputzte Decke, und an jedem hing ein Kronleuchter in Form eines schwarzen schmiedeeisernen Wagenrads. Die gegenüberliegende Wand wurde beherrscht von einem riesigen Steinkamin, der von einer aufwendigen Eichenvertäfelung umgeben war, die oben ein bunt bemaltes Wappen zierte. Das Ganze war gekrönt von kannelierten Zinnen, die fast bis zur Decke reichten. Ein riesiger Axminster-Teppich, der in intensiven Blau-, Rot-und Goldtönen gehalten war, lief über die gesamte Länge des Raumes.
    Darauf standen mehrere Sitzgruppen aus mit Chintz bezogenen Armlehnsesseln, mit Nägeln beschlagenen Ledersofas und Tischen, die mit silbergerahmten Fotos bedeckt waren sowie ledergebundenen Büchern, Schüsseln mit duftendem Blütenpotpourri und einer Kollektion von kleinen Bronzestatuen.
    Die Außenwand war durchbrochen von einem Dutzend schmaler gotischer Bleiglasfenster, doch mein Blick wurde unwillkürlich von der Innenwand angezogen, die beinahe ganz von drei Wandteppichen bedeckt war. Auf einem war ein Falke abgebildet, der von der behandschuhten Hand des Falkners abhob; auf dem zweiten bellte eine Hundemeute einen in die Enge getriebenen Fuchs an, während zwei berittene Jäger zusahen.
    Auf dem dritten spannte ein Schütze seinen Bogen und zielte mit dem Pfeil auf eine Schar Tauben. Auch wenn mit der Zeit die Farben ausgeblichen waren und der Webstoff an manchen Stellen fadenscheinig geworden war, hatten die Abbildungen ihren lebensechten Charakter und ihre Ausstrahlung bewahrt, sodass mir bei ihrem Anblick der Atem stockte.
    Hinter mir murmelte Jamie: »Wenn dich diese große Halle sprachlos macht, Lori, dann stell dir einmal vor, welchen Endruck sie auf zwei geschwächte Männer gemacht haben musste, die geradewegs aus der Hölle kamen.«

16
    »DER GROSSE SAAL sah natürlich nicht so aus, als sie ihn zum ersten Mal erblickten.« Jamie ging zu dem riesigen Kamin an der gegenüberliegenden Wand und gestikulierte mit den Händen, als wollte er ein Bild in die Luft malen. »Als James und Wally in Ladythorne eintrafen, war der Saal mit Reihen von Krankenbetten gefüllt, dazwischen Infusionsflaschen an Rollständern, und die Betten waren mit einem Gestänge umgeben, an denen Vorhänge hingen, die man zuziehen konnte, um einen schwerkranken Patienten vor neugierigen Blicken zu schützen. Statt nach Potpourri roch es nach Desinfektionsmittel und Angst. Aber …« – Jamies Blick wanderte an die hohe Decke – »… die Eichenbalken waren auch damals schon vorhanden, ebenso wie die Buntglasfenster. Auch verbrachten die Männer nicht die ganze Zeit hier in diesem Saal. Zu ihrem gro ßen Erstaunen war es ihnen erlaubt, sich frei im ganzen Haus zu bewegen.«
    Wieder machte er eine Pause. Er drehte sich um und steuerte eine Tür zu meiner Rechten an, die zwischen zwei Wandteppichen lag. Wendy und ich folgten ihm in einen geräumigen

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