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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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Dann rückte er den Schreibtischstuhl an den Tisch.
    »Bitte, Lori«, sagte er und drehte ihn einladend mit dem Sitz in meine Richtung, »willst du dich nicht zu uns setzen?«
    Die ganze Situation kam mir unwirklich vor.
    Was waren das für Verschwörer? Ich war Zeugin eines Verbrechens geworden, hatte sie auf frischer Tat ertappt. Sie wussten, dass mein Mann Anwalt war. Und nun luden sie mich zu einem Mitternachtsimbiss ein? Die Tatsache, dass niemand es für nötig befunden hatte, die Diamanten aufzulesen, oder mich bedroht hatte, war zwar merkwürdig beruhigend, ebenso wie das groteske Bild, das die auf dem Tisch ausgebreiteten Dosen und Delikatessenpackungen im Verein mit den Juwelen abgaben, aber noch immer zögerte ich.
    »Schauen Sie, Lori« – Wendy setzte sich auf die Ottomane und deutete einladend auf das Silbertablett –, »die Packungen sind eingeschweißt.

    Sie können beruhigt sein, es ist kein Gift im Spiel.«
    »Wendy«, sagte Jamie vorwurfsvoll. Er legte eine Hand auf die Rückenlehne des Schreibtischstuhls. »Bitte, leiste uns Gesellschaft, Lori. Gib mir bitte die Gelegenheit, mich bei dir zu entschuldigen … und dir alles zu erklären.«
    Es war nicht Jamies reuevolles Bitten oder seine offensichtliche Bereitschaft, ein Geständnis abzulegen, was mich dazu bewegte, die Einladung anzunehmen. Mein Magen gab schließlich den Ausschlag, indem er ein so sehnsuchtsvolles Knurren vernehmen ließ, dass ich mich gezwungenermaßen seiner erbarmte.
    Ich drehte den Stuhl mit dem Sitz zum Tisch, setzte mich und starrte in das Feuer, um ja keinem der Verschwörer in die Augen blicken zu müssen.
    »Danke.« Jamie nahm im Sessel mit dem
    Schottenmuster Platz und machte sich daran, die Konserven zu öffnen.
    »Catchpole wird euch umbringen, wenn er erfährt, dass ihr die Vorratskammer geplündert habt«, murmelte ich.
    »Beim Mittagessen haben Sie sich nicht beschwert.« Wendy bediente sich von den Käseplätzchen. »Ich erinnere mich gesehen zu haben, wie drei Schüsseln Paella in Ihrem Rachen verschwanden.«
    Ich hatte mir vorgenommen, ein distanziertes Schweigen während des Essens zu bewahren, als Zeichen für meine Missbilligung und um meinem verletzten Stolz Tribut zu zollen, doch Emma Harris hatte schon recht gehabt, als sie mir vor nicht langer Zeit sagte, dass ich nicht dafür geschaffen sei, still zu sein. Schnell entschied ich, dass ein paar bissige Bemerkungen denselben Zweck erfüllen und mich obendrein weniger Anstrengung kosten würden.
    »Nun weiß ich, warum Sie gestern keinen Appetit hatten«, sagte ich. »Zuerst dachte ich, Sie hätten Angst vor Lucastas Geist, aber jetzt kenne ich den wahren Grund. Sie hatten keine Angst vor dem Geist, Sie hatten Angst, dass Catchpole Ihnen in die Quere kommen könnte, ja Sie davon abhalten könnte, die Parure zu stehlen.« Ich bestrich einen Sahnecracker mit einer großzügigen Portion Pastete. »Kein Wunder, dass Sie nicht einmal mehr Ihr Geschirr spülen konnten.«
    Wendys graue Augen verengten sich unheilvoll. Sie öffnete den Mund, doch Jamie kam ihr zuvor, indem er den Arm ausstreckte, wie um zwei übereifrige Sparringspartner in Schach zu halten.

    »Lasst uns zuerst essen, dann reden wir«, sagte er. »Mit einem leeren Magen lässt es sich schlecht denken.«
    Die Unterhaltung erstarb. Mein bissiger Kommentar hatte unbeabsichtigt dazu geführt, dass ich mein ursprüngliches Vorhaben, mich in Schweigen zu hüllen, doch noch in die Tat umsetzen konnte. Doch es war nicht von langer Dauer. Seit wir die Paella gegessen hatten, waren etliche Stunden vergangen, und die Kokosnuss-Ingwer-Suppe war eher ein kleiner Imbiss gewesen als eine richtige Mahlzeit, also hatten wir alle einen gehörigen Appetit. In Rekordzeit verschlangen wir jeden schmackhaften Bissen, der sich auf dem Tablett befunden hatte, um uns dann wie eine Horde von Hyänen über das Aprikosenkompott herzumachen. Wendy hatte gerade das Silbertablett und die Steingutschüssel vor die Tür gestellt, als die Ebenholzuhr Mitternacht schlug. Als der letzte Gong verhallte, lehnte sich Jamie vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, die Finger locker verschränkt.
    »Bei Gott, du hast wahrlich allen Grund, wü tend auf mich zu sein, Lori«, sagte er. »Ich mache mir selbst Vorwürfe, weil … weil ich dich in die Irre geführt habe. Falls es ein kleiner Trost ist
    – ich habe keineswegs nur gespielt. Was ich in der Bibliothek sagte, meinte ich auch so. Ich habe jeden Moment unseres Zusammenseins

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