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Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Tante Dimity und der unheimliche Sturm

Titel: Tante Dimity und der unheimliche Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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genossen. Ich mag dich sehr.«
    Ich ließ ein abfälliges Schnauben vernehmen.
    »Wenn du so Menschen behandelst, die du magst, möchte ich nicht wissen, wie du jene behandelst, die du nicht ausstehen kannst.«
    »Was du gerade miterlebt hast, ist eine kurze Episode eines Epos«, sagte Jamie. »Wenn du mich lässt, werde ich dir den Rest erzählen. Du hast zwar keine Veranlassung, auch nur ein Wort dessen zu glauben, was ich dir erzählen werde, aber ich hoffe, dass du mir trotzdem zuhören wirst. Und ich hoffe, du wirst erst dann den Stab über mich brechen, wenn du alles gehört hast –
    oder auch nicht.«
    Ohne es zu wissen, hatte Jamie genau die Strategie gewählt, gegen die ich keine Verteidigung hatte. Noch nie war es mir gelungen, der Verlockung einer guten Geschichte zu widerstehen.
    Meine Kindheit war geprägt gewesen von der Stimme meiner Mutter, die mir die Abenteuer von Tante Dimity erzählte. Auch einen großen Teil meines bisherigen Erwachsenenlebens hatte ich mit Büchern verbracht. Ich zweifelte zwar keine Sekunde daran, dass das, was Jamie mir auftischen würde, ein fiktionales Werk wäre, aber dennoch rührte ich mich nicht vom Fleck, denn ich war neugierig zu hören, wie er den Plot so hindrehen würde, dass er selbst dabei als Held erschien.
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sagte möglichst gereizt: »Fang bitte an, ich höre.«
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und starrte mit einem angestrengten Stirnrunzeln ins Feuer, so als würde er versuchen, eine komplizierte Abfolge von Ereignissen in die richtige Reihenfolge zu bringen.
    »Stell dir, falls du möchtest, zwei amerikanische Soldaten vor. Lass uns sie James und Walter nennen.«
    »Wally«, sagte Wendy steif, »jeder hat ihn Wally genannt.«
    Ich sah sie scharf an und war mir plötzlich sicher, dass sie von ihrem Vater sprach. Mit der gleichen Sicherheit kombinierte ich einen Augenblick später, dass Jamie nach seinem Vater getauft war, James. Mein Blick wanderte von Wendys düsterer Miene zu Jamie, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich hier die Fremde war, die eingedrungen war in die Gemeinschaft zweier Leidensgenossen. Unbehagen beschlich mich, und ich fragte mich, wie viel es sie kosten mochte, sich mir anzuvertrauen.

    »Wir nennen ihn also Wally.« Jamie nickte feierlich, dann fuhr er fort. »James, der Ältere der beiden, war Captain. Wally war sein Fahrer.
    Seit drei Jahren hatten James und Wally Seite an Seite gekämpft. Sie hatten den D-Day mitgemacht, genauso wie dein Vater, waren bei der Landung am Omaha Beach dabei gewesen. Sie hatten sich bei der Ardennenoffensive durchgekämpft und waren bis in die Vororte von Berlin vorgestoßen, bis ein Scharfschütze sie stoppte.«
    »Sie waren noch sehr jung, als sie angeschossen wurden«, fügte Wendy hinzu, so als hätte Jamie ein wichtiges Detail vergessen. »James war dreiundzwanzig, und Wally war gerade zwanzig geworden.«
    »Wally war fast zwanzig Jahre jünger, als ich es jetzt bin«, sagte Jamie. Einen Moment lang dachte er schweigend nach, dann schien er eine Entscheidung zu treffen. Er stand auf. »Sollen wir uns ein wenig die Beine vertreten? Ich finde, dass ein kleiner Verdauungsspaziergang nicht schaden kann. Abgesehen davon gibt es ein paar Dinge, die ich dir gern zeigen würde, Lori, um die Geschichte zu illustrieren, sozusagen.«
    Gern kam ich seiner seltsamen Aufforderung nach und erhob mich von meinem Schreibtischstuhl. Ich bedeutete ihm voranzugehen. Die Mahlzeit und Jamies ruhiges Gebaren hatten meine überstrapazierten Nerven beruhigt. Ich wusste zwar nicht, wohin der Spaziergang führte, doch hatte ich keine Angst mehr, dass meine Hausgefährten mich jeden Moment mit dem Stemmeisen erschlagen könnten, um meine Leiche dann in der Wäschetruhe zu verstecken.
    Ehe wir das Zimmer verließen, kniete Wendy nieder, um die Juwelen einzusammeln. Sie wickelte sie in das braune Packpapier und schob das Bündel unter einen Stapel Decken auf Jamies Schrank.
    »Für den Fall, dass Catchpole auf die Idee kommt, einen Bettencheck zu machen«, erklärte sie und nahm Jamies Petroleumlampe vom Schreibtisch.
    Zu dritt gingen wir nebeneinander den Flur entlang, während Wendy mit der Lampe den Weg beleuchtete und Jamie leise weitersprach, so als wollte er die Stille des schlummernden Hauses nicht stören.
    »Nachdem James und Wally verwundet worden waren, wurden sie nach England evakuiert.
    Die Ärzte fanden, dass ihr Zustand nicht stabil genug sei, um

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