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Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief

Titel: Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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überhaupt? Ist sie verreist?
    Hüten Sie die Wohnung für sie?«
    Ich drehte den Kopf zur Seite. »Sie ist seit zwei Wochen weg. Haben Sie das gar nicht bemerkt?«
    »Nein. Warum sollte ich auch?«
    Ich lehnte mich gegen die Spüle und starrte ihn verblüfft an. »Sind Sie neu im Haus?«
    »Nein, ich wohne hier seit vier Jahren. Warum fragen Sie?«
    »Lassen Sie mich das auf die Reihe kriegen«, bat ich zunehmend ungläubig. »Ihre Nachbarin, eine ältere Dame, ist seit zwei Wochen verschwunden, und Sie machen sich nicht die Mühe, rauszufinden, ob sie noch lebt?«
    Er hob beschwichtigend die Hände. »Das verstehen Sie nicht. Wie gesagt, wir wohnen im selben Haus, aber wir sind keine engen Freunde. Man grüßt sich, aber das ist auch schon alles. Hin und wieder laufe ich ihr bei den Briefkästen über den Weg, und gelegentlich kümmert sie sich um meinen Kater.«
    »Gelegentlich?« Mit einem Griff über mich öffnete ich den Hochschrank.
    Gabriel starrte verdutzt die Dosen mit den Leckerbissen für Katzen an, bis ich seine Aufmerksamkeit auf die blauen Porzellanschalen mit dem Weidenmuster lenkte.
    »Das sind Stanleys Schalen.« Ich nahm den katzenförmigen Löffel vom Abtropfgestell. »Das ist sein Löffel. Miss Beacham hat eigens für ihn ein Katzenklo im Nebenzimmer aufgestellt.« Ich merkte, wie meine Stimme aus Wut über Gabriels entsetzliche Naivität immer lauter wurde. »Herrje, in der Tür ist sogar eine Katzenklappe. Ich denke, wir können mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass sie sich öfter als nur gelegentlich um Ihre Katze gekümmert hat.«
    »Ich verstehe nicht, warum Sie so wütend auf mich sind«, erwiderte Gabriel. »Ich hab sie doch überhaupt nicht gebeten, meinen Kater zu füttern.«
    Wütend war ich eigentlich nicht gewesen, bis er die verhängnisvollen letzten Worte sagte. Aber ich konnte einfach nicht fassen, dass dieser schüchterne und bescheidene Mann, der seine Katze liebte und sich mit höchster Wahrscheinlichkeit fürsorglich um seine betagten Eltern kümmerte, allen Ernstes nicht kapierte, warum er in den letzten zwei Wochen gerade mal fünf Minuten hätte erübrigen und bei der einsamen, alten Dame vorbeischauen sollen, die drei Stockwerke über ihm wohnte. Und sein Verblüffen steigerte meine ursprünglich milde Irritation zu einem Zustand, den man leicht mit rasender Wut hätte verwechseln können.
    »Nein«, fauchte ich anklagend. »Sie haben sie nicht gebeten, Ihre Katze zu füttern, und Sie haben sie bestimmt auch nie gefragt, wie sie sich fühlt. Sie haben sich einfach Stanley geschnappt und sind gegangen.«
    Gabriel hatte genug Anstand, um mich geknickt anzublicken. »So gesehen wirkt das in der Tat ein bisschen schäbig«, räumte er ein. »Aber ich möchte sie nicht gerne belästigen. Sie wirkt so … in sich ruhend.«
    »Sie lag seit zwei Wochen im Radcliffe!«, rief ich.

    Falten gruben sich in seine Stirn. »Im Radcliffe?«, wiederholte er.
    »Richtig!«, blaffte ich. »Und in der ganzen Zeit, in der sie dort war, hat sie niemand besucht, auch Sie nicht. Und jetzt ist es zu spät. Sie wird nie wieder Besuch empfangen.«
    Gabriel starrte mich entgeistert an. »Sie ist doch nicht …«
    Ich schnitt ihm brutal das Wort ab. »Sie ist tot.
    Gestern ist sie gestorben. Und niemand war in ihrer letzten Stunde bei ihr, niemand außer der Stationsschwester.« Ich rauschte ins Allzweckzimmer, packte eine der auf einem Regal gestapelten Tüten, marschierte damit zu Gabriel zurück und knallte sie ihm in die Hand. »Sie sollten besser das Katzenfutter mitnehmen. Stanley mag es, und Miss Beacham wird ihn nicht mehr füttern können.«
    »Ich kann doch nicht …«
    Schon wieder fuhr ich ihm über den Mund.
    »Nehmen Sie es!«, befahl ich. »Das wäre nur in Miss Beachams Sinn. Stanley war ihr ein guter Freund. Sie würde wollen, dass er es bekommt.«
    Widerstrebend füllte Gabriel den Beutel. Unterdessen wusch und trocknete ich Stanleys Löffel und Schalen ab. Und als er fertig war, packte ich ihm das in Papiertücher gewickelte Geschirr mit in den Beutel.

    »Kommen Sie jetzt mit, Ihren Kater holen«, forderte ich ihn auf, schon auf dem Weg zum Schlafzimmer.
    Als wir eintraten, entfaltete sich Stanley und streckte sich erst mal ausgiebig, dann sprang er elegant von der Couch und stieß seinen Kopf an Gabriels Knöchel. Gabriel hob ihn mit der freien Hand hoch. Zufrieden schnurrend ließ sich Stanley auf seiner Schulter nieder und rieb zärtlich sein Ohr gegen das von

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