Tante Julia und der Kunstschreiber
träumte von einem inzestuösen Neffen, der aus Reue darüber, daß er seine Schwester entehrt hatte, papistischer Priester in einem Elendsviertel von Lima, in Mendocita (?), wurde. Er konnte die Hammerschläge Litumas nicht hören, die den Evangelistentempel in eine Mausefalle verwandelten, da ihm die ehemalige Hebamme Dona Angelica auf Pater Seferinos Befehl einen schweren und betäubenden Trank bereitet hatte. Als die Mission verrammelt war, begoß sie der Mann aus Chirimoyo eigenhändig mit Kerosin. Dann bekreuzigte er sich, zündete ein Streichholz an und wollte es hineinwerfen, aber irgend etwas ließ ihn zögern. Der Exwachtmeister Lituma, die Sozialarbeiterin, die ehemalige Abtreiberin, die Hunde von Mendocita sahen ihn hochaufgerichtet und mager unter den Sternen, die Augen vor Pein verdreht, das Streichholz zwischen den Fingern, wie er zögerte, ob er seinen Feind braten solle. Würde er es tun? Würde er das Streichholz werfen? Würde Pater Seferino Huanca Leyva die Nacht von Mendocita in ein prasselndes Inferno verwandeln? Würde er auf diese Weise ein Leben, das der Religion und dem Wohl der Allgemeinheit geweiht war, zerstören, oder würde er die kleine Flamme, die ihm schon die Nägel verbrannte, zertreten und die Tür des Ziegelhauses öffnen, um den evangelischen Pfarrer auf Knien um Verzeihung zu bitten? Wie würde diese Parabel aus dem Elendsviertel enden?
XV
Die erste Person, der ich von dem Heiratsantrag erzählte, den ich Tante Julia gemacht hatte, war nicht Javier, sondern meine Cousine Nancy. Ich rief sie an, nachdem ich mit Tante Julia gesprochen hatte, und schlug ihr vor, mit mir ins Kino zu gehen. Wir gingen aber ins El Patio, eine Cafebar in der Galle San Martin in Miraflores, wo sich die Catcher zu treffen pflegten, die Max Aguirre, der Manager vom Luna Park, nach Lima holte. Das Lokal – ein einstöckiges Häuschen, das wie ein Einfamilienhaus konzipiert war, zu dem die Funktion einer Bar überhaupt nicht paßte – war leer, und wir konnten in Ruhe miteinander sprechen; ich trank dabei die zehnte Tasse Kaffee dieses Tages und Nancy eine Coca Cola. Wir hatten uns gerade gesetzt, und ich dachte darüber nach, in welcher Weise ich ihr die Nachricht vergolden könnte. Aber sie kam mir mit Neuigkeiten zuvor. Am Abend vorher hatte bei Tante Hortensia ein Treffen stattgefunden, zu dem etwa ein Dutzend Verwandter zusammengekommen waren, um »den Fall« zu besprechen. Dort hatte man beschlossen, daß Onkel Lucho und Tante Olga Tante Julia bitten sollten, nach Bolivien zurückzukehren.
»Sie haben es für dich getan«, erklärte mir Nancy. »Dein Vater ist offensichtlich wahnsinnig wütend und hat einen schrecklichen Brief geschrieben.«
Onkel Jôrge und Onkel Lucho, die mich so liebten, waren jetzt sehr besorgt wegen der Strafe, die mich treffen könnte. Man war der Meinung, daß mein Vater, falls Tante Julia bei seiner Ankunft in Lima schon fort wäre, sich beruhigen und nicht gar so streng sein würde.
»Das alles ist jetzt gar nicht mehr so wichtig«, sagte ich hochmütig. »Ich habe Tante Julia gebeten, mich zu heiraten.« Ihre Reaktion war verblüffend, wie eine Karikatur, wie im Film; sie verschluckte sich an der Coca Cola, bekam einen einfach beleidigenden Hustenanfall, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Laß die Faxen, dumme Gans«, schimpfte ich ziemlich wütend. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Ich habe mich nicht deswegen verschluckt, sondern weil ich die Flüssigkeit in die falsche Kehle bekommen habe«, stotterte meine Cousine, trocknete sich die Augen und räusperte sich immer wieder; ein paar Sekunden später fügte sie mit gesenkter Stimme hinzu: »Du bist doch noch ein Baby. Hast du denn Geld zum Heiraten? Und dein Vater? Der bringt dich um!« Aber von ihrer schrecklichen Neugier getrieben, bedrängte sie mich sofort mit Fragen über Einzelheiten, an die zu denken ich noch gar keine Zeit gehabt hatte. Hatte Tante Julia angenommen? Wollten wir fliehen? Wer würden die Trauzeugen sein? Wir konnten uns nicht kirchlich trauen lassen, weil sie geschieden war, nicht wahr? Wo würden wir leben? »Aber, Marito«, wiederholte sie am Schluß ihrer Fragenkaskade und wunderte sich aufs neue. »Begreifst du denn nicht, daß du erst achtzehn Jahre alt bist?«
Sie mußte lachen, und ich mußte auch lachen. Ich sagte, vielleicht habe sie recht, aber jetzt gehe es nur darum, mir dabei zu helfen, den Plan in die Praxis umzusetzen. Wir waren zusammen aufgewachsen, und wir
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