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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Ausgänge zu. Die Menschen ströme sahen sich von den Eisenvorhängen und Gitterstäben eingeschlossen, gestoppt. Gestoppt? Nur für ein paar Sekunden, die jedoch ausreichten, die ersten Reihen jeder Säule durch den Druck derer, die nach schoben, in Sturmböcke zu verwandeln; die Hindernisse wurden verbogen, aufgedrückt, aufgebrochen und aus den Angeln gehoben. Auf diese Weise konnten die Leute, die am Rîmac lebten und zufällig an diesem Sonntag um 5 Uhr 30 nachmittags um die Stierkampfarena spazierengingen, ein barbarisch einmaliges Schauspiel mitansehen: Plötz lich, mitten in einer tödlichen Explosion, flogen die Tore der Plaza de Acho in Stücke und spuckten zerquetschte Leichname aus, die – ein Unglück kommt selten allein – obendrein noch von der verrückt gewordenen Menge, die aus den blutigen Breschen floh, zertrampelt wurden.
    Unter den ersten Opfern des Holocaustes von Bajo el Puente sollten diejenigen sein, die die Zeugen Jehovas nach Peru gebracht hatten, nämlich Don Sebastian Bergua aus Moquegua und seine Gattin Margarita und seine Tochter Rosa, die ehemalige Flötistin. Die religiöse Familie kam durch das um, was sie hätte retten sollen, nämlich durch ihre Klugheit. Kaum hatte sich der Zwischenfall mit dem kannibalischen Wilden ereignet und kaum hatte ihn das Hornvieh zerfetzt, hatte Don Sebastian Bergua – hochgezogene Brauen, diktatorischer Zeigefinger – seinem Stamm »Rückzug« befohlen. Es war keine Flucht, ein Wort, das der Prediger nicht kannte, sondern Fingerspitzengefühl, der Gedanke, daß weder er noch seine Verwandten sich in einen Skandal verwickelt sehen sollten, um zu verhindern, daß die Feinde im Schutz dieses Vorwandes versuchen könnten, den Namen seines Glaubens zu beschmutzen. So verließ die Familie Bergua eiligst ihren Platz in der Sonne und stieg die Stufen zum Ausgang hinunter, als die Tränengasgranaten explodierten. Die drei Frömmler befanden sich vor der Metallgardine Nummer 6 und warteten, daß sie hochgezogen würde, als sie in ihrem Rücken die Menge trampelnd und tränenreich heranstürmen sahen. Sie hatten keine Zeit mehr, ihre nicht vorhandenen Sünden zu bereuen, als sie von der verängstigten Masse wörtlich an den Metallgardinen zerdrückt wurden (zu Menschenpüree oder zu Suppe?). Ein Sekunde, bevor sie in das andere Leben übergingen, an das er nicht glaubte, konnte Don Sebastian noch starrköpfig, gläubig und heterodox schreien: »Christus starb an einem Baum, nicht an einem Kreuz!«
    Der Tod des labilen messerstechenden Mörders von Don Sebastian Bergua und Vergewaltigers von Dona Margarita und der Künstlerin war (paßt dieser Ausdruck?) weniger ungerecht. Denn kaum war die Tragödie ausgebrochen, als der junge Mar-roquïn Delfîn seine Stunde für gekommen hielt. In dem Durcheinander wollte er dem Beamten entfliehen, den die Gefängnisdirektion dazu bestimmt hatte, ihn zu begleiten, damit er den historischen Kampf sehen konnte; er wollte sich aus Lima, aus Peru davonmachen und ins Ausland gehen. Unter anderem Namen würde er ein neues Leben voller Irrsinn und Verbrechen beginnen. Hoffnungen, die sich fünf Minuten später in nichts auflösen sollten, als am Ausgangstor Nummer 5 (Lucho? Eze-quiel?) Marroquîn Delfîn und dem Beamten des Gefängnisses von Chumpitaz, der ihn an der Hand hielt, die zweifelhafte Ehre zuteil wurde, zu der ersten Reihe der von der Menge zertrampelten Taurophilen zu gehören. (Die ineinander verschränkten Finger des Polizisten und des Arzneimittelvertreters, wenn auch als Leichname, gaben Anlaß zu Gerede.) Der Tod von Sarita Huanca Salaverria hatte wenigstens den Vorzug, weniger anstößig zu sein. Er war ein Beispiel für ein ungeheuerliches Mißverständnis, für einen Irrtum seitens der Obrigkeit in der Beurteilung von Handlungen und Absichten. Als die Ereignisse losbrachen, als sie den Kannibalen auf die Hörner genommen sah und die Rauchschwaden der Granaten, als sie das Aufheulen der Zertrampelten hörte, entschied das Mädchen von Tingo Maria – Liebesleidenschaft, die die Todesangst besiegt –, es sollte an der Seite des Mannes sein, den es liebte. Anders als die Fans stieg sie jetzt in das Rund hinunter, was sie davor bewahrte, zerdrückt zu werden. Aber es rettete sie nicht vor dem Adlerblick von Hauptmann Lituma, der, als er in den sich ausbreitenden Gaswolken eine unbestimmte, verschwommene Figur entdeckte, die über die Absperrung sprang und auf den Stierkämpfer zulief (der trotz allem sich dem Tier

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