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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Stockfischsud und Gewürzkuchen, dann wieder ohne alles. Niemand dachte an die Trauung, nicht einmal Pascual, der mit leuchtenden Augen und belegter Stimme die Valses des Bürgermeisters begleitete. Nachdem dieser während des ganzen Essens Tante Julia Komplimente gemacht hatte, versuchte er nun, ihr den Arm um die Schulter zu legen, und näherte ihr sein aufgeschwemmtes Gesicht. Angestrengt lächelnd, hielt ihn Tante Julia auf Distanz, und von Zeit zu Zeit warfen wir uns gequälte Blicke zu.
    »Ruhig, Gevatter«, sagte Javier. »Denk an die Trauung und an sonst nichts.«
    »Ich glaube, die ist hin«, sagte ich, als der Bürgermeister auf dem Höhepunkt des Glücks davon sprach, einen Guitarristen zu holen, El Soi de Chincha zu schließen und zu tanzen. »Ich glaube, ich wandere noch ins Gefängnis, weil ich diesem verdammten Schwein eins auf die Nase geben muß.« Ich war wütend und entschlossen, loszuschlagen, wenn er unangenehm würde, als ich aufstand und zu Tante Julia sagte, wir würden jetzt gehen. Erleichtert stand sie sofort auf, und der Bürgermeister versuchte nicht, sie festzuhalten. Er sang sehr musikalisch Marineras, und als er uns hinausgehen sah, winkte er uns mit einem Lächeln, das mir sarkastisch vorkam. Javier, der hinter uns herkam, sagte, er sei bloß besoffen gewesen. Auf dem Weg zum Hotel Sudamericano schimpfte ich auf Pascual, den ich, ich weiß nicht warum, für dieses absurde Mittagessen verantwortlich machte.
    »Spiel nicht das ungezogene Kind, und lerne, einen kühlen Kopf zu behalten«, tadelte mich Javier. »Der Typ ist besoffen, und er erinnert sich an nichts. Sei nicht verbittert, der wird euch noch trauen. Wartet im Hotel, bis ich euch rufe.« Kaum waren wir allein im Zimmer, fielen wir uns in die Arme und küßten uns in einer Art Verzweiflung. Wir sagten nichts, aber unsere Hände, unsere Münder drückten alle Heftigkeit und alles Schöne aus, das wir empfanden. Schon an der Tür hatten wir angefangen uns zu küssen, näherten uns langsam dem Bett, setzten uns schließlich und legten uns dann hin, ohne die enge Umarmung nur einen Augenblick lang gelockert zu haben. Fast blind vor Glückseligkeit und Verlangen, streichelte ich Tante Julias Körper mit unerfahrenen und begehrlichen Händen, zuerst über den Kleidern, dann knöpfte ich ihr die ziegelfarbene, schon zerknautschte Bluse auf, küßte ihre Brüste, als unerwünschte Hände an unsere Tür klopften. »Alles fertig, ihr Sünder«, hörten wir Javiers Stimme. »In fünf Minuten im Rathaus. Der Stiesel erwartet euch.« Wir sprangen glücklich und verlegen aus dem Bett, Tante Julia strich sich rot vor Scham die Kleider glatt, und ich dachte wie früher an abstrakte und respektable Dinge – Zahlen, Dreiecke, Kreise, an die Großmutter, an meine Mutter –, um die Erektion loszuwerden. Im Badezimmer auf dem Gang wuschen und kämmten wir uns ein bißchen, zuerst sie, dann ich, und gingen mit so schnellen Schritten ins Rathaus, daß wir atemlos ankamen. Der Sekretär ließ uns sofort ins Büro des Bürgermeisters eintreten, ein geräumiges Zimmer, in dem an der Wand ein peruanisches Wappen über einem Schreibtisch mit Fähnchen und Aktendeckeln hing und wo ein halbes Dutzend Bänke standen, die wie Schulbänke aussahen. Mit gewaschenem Gesicht und noch feuchtem Haar begrüßte uns der rotblonde Bürgermeister sehr gefaßt mit einer feierlichen Verbeugung hinter seinem Schreibtisch. Er war ein ganz anderer Mensch, ganz Form und Feierlichkeit, zu beiden Seiten des Schreibtisches standen Javier und Pascual und lächelten uns spöttisch an. »Gut, fangen wir an«, sagte der Bürgermeister. Seine Stimme verriet ihn, belegt und zögernd, schien sie an der Zunge zu kleben. »Wo sind die Papiere?«
    »Die haben Sie, Herr Bürgermeister«, erwiderte Javier unendlich wohlerzogen. »Pascual und ich haben sie Ihnen am Freitag gegeben, damit die Angelegenheit beschleunigt werden sollte. Erinnern Sie sich nicht?«
    »Wie blau du bist, Vetter, daß du das schon vergessen hast«, lachte Pascual mit ebenfalls betrunkener Stimme. »Du selbst hast uns darum gebeten, sie hier zu lassen.« »Gut, dann muß sie der Sekretär haben«, murmelte der Bürgermeister unangenehm berührt und sah Pascual böse an. Er rief: »Sekretär!«
    Das dünne Männchen mit den dicken Augengläsern brauchte ein paar Minuten, um die Geburtsurkunde und die Scheidungs-Urkunde von Tante Julia zu finden. Wir warteten schweigend, während der Bürgermeister rauchte, gähnte

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