Tante Julia und der Kunstschreiber
Fußbodenkacheln, durch die man die Erde sehen konnte, ein durchgelegenes Doppelbett mit einer Decke aus grünen Rhomben, ein Strohstühlchen und ein paar dicke Nägel in der Wand, an die man die Sachen hängen sollte. Kaum waren wir im Zimmer, umarmten wir uns heftig, küßten und streichelten uns, bis Tante Julia mich wegschob und lachte:
»Halt, Varguitas, zuerst müssen wir heiraten.« Sie glühte, ihre Augen glänzten fröhlich, und ich spürte, daß ich sie sehr, sehr liebte und glücklich war, sie zu heiraten. Und während ich wartete, als sie sich in dem Gemeinschaftsbad auf dem Flur zurechtmachte, schwor ich, daß wir nicht wie all jene Ehepaare werden würden, die ich kannte, ein Jammerbild von einer Ehe, nein, wir würden zusammen immer glücklich sein. Und die Ehe sollte mich nicht daran hindern, eines Tages ein Schriftsteller zu werden. Tante Julia kam schließlich zurück, und wir gingen Hand in Hand zum Rathaus. Wir trafen Pascual und Javier an der Tür einer Kneipe, wo sie eine Erfrischung tranken. Der Bürgermeister war zu einer Einweihung gegangen, er werde bald wiederkommen. Ich fragte sie, ob es auch absolut sicher sei, ob mit dem Verwandten von Pascual tatsächlich abgemacht sei, daß er uns mittags trauen sollte, und sie verspotteten mich. Javier machte Witze über den ungeduldigen Bräutigam und steuerte ein passendes Sprichwort bei: »Hoffen und Harren macht manchen zum Narren.“ Um die Zeit totzuschlagen, gingen wir vier unter den hohen Eukalyptusbäumen und Eichen der Plaza de Armas auf und ab. Ein paar Jungen rannten hin und her, und einige Alte ließen sich die Schuhe putzen, während sie die Zeitung aus Lima lasen. Eine halbe Stunde später waren wir wieder im Rathaus. Der Sekretär, ein dünnes Männchen mit dicken Augengläsern, übermittelte uns die schlechte Nachricht, der Bürgermeister sei von der Einweihung zurückgekommen, aber zum Essen ins El Soi de Chincha gegangen.
»Haben Sie ihm nicht gesagt, daß wir auf ihn warten, wegen der Trauung?« tadelte ihn Javier.
»Er kam mit einer Abordnung, und das war nicht der rechte Augenblick«, sagte der Sekretär mit dem Ausdruck dessen, der auf Etikette hält.
»Dann gehen wir hin, suchen ihn in dem Restaurant und holen ihn wieder hierher«, beruhigte mich Pascual. »Keine Sorge, Don Mario.«
Wir fragten uns zum El Soi de Chincha durch, das in der Nähe der Plaza lag. Es war ein kreolisches Restaurant mit kleinen Tischen ohne Decken und dem Herd im hinteren Teil, um den es flackerte und rauchte und wo ein paar Frauen mit Kupfertöpfen und Kesseln und duftenden Pfannen hantierten. Ein Grammophon lief mit voller Lautstärke, es spielte einen Vais, und das Lokal war ziemlich voll. Als Tante Julia an der Tür meinte, es sei vielleicht klüger zu warten, bis der Bürgermeister gegessen habe, erkannte dieser Pascual und rief ihn heran. Wir sahen, wie der Redakteur von Panamericana einen jungen, fast blonden Mann umarmte, der von einem Tisch aufgestanden war, wo etwa ein halbes Dutzend Tischgenossen saßen, alles Männer, und wo ebensoviele Bierflaschen standen. Pascual winkte uns heran.
»Natürlich, das Brautpaar, ich hatte das ganz vergessen«, sagte der Bürgermeister und drückte uns die Hand, Tante Julia von oben bis unten mit einem Kenner blick musternd. Er wandte sich an seine Tischgenossen, die ihn beflissen beobachteten, und erzählte ihnen mit lauter Stimme, damit sie ihn trotz der Musik verstünden: »Die beiden sind gerade aus Lima geflohen, und ich werde sie trauen.«
Man lachte, man klatschte, Hände wurden uns entgegengestreckt, und der Bürgermeister forderte uns auf, wir sollten uns setzen, und bestellte mehr Bier, um auf unser Glück anzustoßen.
»Aber nicht zusammensitzen, dafür habt ihr noch das ganze Leben Zeit«, sagte er euphorisch und nahm Tante Julia am Arm und setzte sie neben sich. »Die Braut hierher an meine Seite, denn zum Glück ist meine Frau nicht da.“ Die Abordnung applaudierte. Sie waren älter als der Bürgermeister, Händler oder Bauern im Sonntagsstaat, und alle schienen so betrunken zu sein wie er. Einige kannten Pascual und fragten ihn nach seinem Leben in Lima und wann er nach Hause zurückkäme. Ich saß neben Javier am äußersten Ende des Tischs und versuchte zu lächeln, nahm kleine Schlucke des lauwarmen Biers und zählte die Minuten. Bald verloren der Bürgermeister und die Abordnung jedes Interesse an uns. Eine Flasche folgte der anderen, erst allein, später mit Fischsalat und einem
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