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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Tagen Fischens entsprach. Aber er blieb hart, und schließlich sagte er böse zu seiner Frau, sie solle ihre Nase nicht in Angelegenheiten stecken, von denen sie nichts verstehe. Doch sofort fand er seine gute Laune wieder, drückte uns eine Tasse oder ein Gläschen in die Hand und bot uns einen Schluck Pisco an: »Damit Sie die Reise nicht ganz umsonst gemacht haben, Freunde«, tröstete er uns ohne ein Fünkchen Ironie und hob das Glas. Sein Trinkspruch war – unter den gegebenen Umständen – nicht sonderlich trostreich: »Gesundheit und Glück den Brautleuten.«
    Als wir uns verabschiedeten, sagte er, wir hätten einen Fehler gemacht, nach Tambo de Mora zu kommen, wegen der Geschichte mit dem Mädchen aus Cachiche, aber wir sollten nach Chincha-Baja, nach El Carmen, nach Sunampe, nach San Pedro fahren, irgendwohin in die anderen Dörfer der Provinz, und man würde uns sofort trauen. »Die Bürgermeister dort sind Faulpelze, sie haben nichts zu tun, und wenn sich ihnen eine Hochzeit bietet, betrinken sie sich vor lauter Zufriedenheit«, schrie er uns nach.
    Wir kehrten schweigend zu unserem wartenden Taxi zurück. Der Chauffeur eröffnete uns, er müsse, weil es so lange gedauert habe, noch einmal über den Preis mit uns reden. Auf der Rückfahrt nach Chincha verabredeten wir, am nächsten Tag schon früh die Distrikte und Ortschaften, eine nach der anderen, abzuklappern und großzügige Bezahlung anzubieten, bis wir diesen verdammten Bürgermeister endlich gefunden hätten. »Es ist schon fast 9 Uhr«, sagte Tante Julia plötzlich. »Ob man meine Schwester schon benachrichtigt hat?« Ich hatte den Großen Pablito zehnmal aufsagen lassen, was er meinem Onkel Lucho und meiner Tante Olga zu sagen hätte, und um ganz sicher zu gehen, hatte ich es ihm auf einen Zettel geschrieben: »Mario und Julia haben geheiratet. Machen Sie sich keine Sorgen um sie, es geht ihnen gut, sie werden in ein paar Tagen nach Lima zurückkommen.« Er sollte um 9 Uhr abends von einem öffentlichen Telephon aus anrufen und sofort nach der Botschaft auflegen. Ich sah beim Licht eines Streichholzes auf die Uhr, ja, die Famile war bereits unterrichtet. »Sie werden Nancy mit Fragen löchern«, sagte Tante Julia und bemühte sich, natürlich zu sprechen, als handelte es sich um die Angelegenheiten anderer Leute. »Sie wissen, daß sie mit uns unter einer Decke steckt. Sie werden der Kleinen sehr zusetzen.«
    Das Taxi polterte auf der Strecke voller Schlaglöcher, und jeden Augenblick schien es steckenzubleiben, und alles Blech und die Schrauben klapperten und quietschten. Der Mond beleuchtete die Felder schwach, und hin und wieder sah man die Umrisse von Palmen, Feigenbäumen und Huarangos. Viele Sterne standen am Himmel.
    »Das heißt, man hat deinem Vater schon die Nachricht übermittelt«, sagte Javier. »So wie er aus dem Flugzeug gestiegen ist. Eine feine Begrüßung!«
    »Ich schwöre bei Gott, daß wir einen Bürgermeister finden«, sagte Pascual. »Ich bin nicht aus Chincha, wenn wir Sie morgen nicht in dieser Gegend trauen. Mein Wort als Mann.« »Sie suchen einen Bürgermeister, der Sie traut?« interessierte sich der Chauffeur. »Haben Sie das Fräulein entführt? Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt, Sie haben wohl kein Vertrauen. Ich hätte Sie nach Grocio Prado gebracht, der Bürgermeister ist mein Gevatter, und er hätte Sie sofort getraut.« Ich schlug ihm vor, bis Grocio Prado weiterzufahren, aber er nahm mir den Wind aus den Segeln, der Bürgermeister sei um diese Zeit nicht im Dorf, sondern in seiner Hütte, etwa eine Stunde mit dem Esel entfernt. Wir sollten das lieber auf morgen verschieben. Wir verabredeten, er solle uns um 8 Uhr abholen, und ich bot ihm eine gute Bezahlung, wenn er uns bei seinem Gevatter helfe.
    »Aber klar«, ermunterte er uns. »Was wollen Sie mehr? Sie werden in dem Dorf der Seligen Melchorita heiraten.« Im Hotel Sudamericano wollte man den Speisesaals schon schließen, aber Javier überredete den Kellner, uns noch etwas zuzubereiten. Er brachte uns ein paar Coca Cola und Spiegeleier mit aufgewärmtem Reis, den wir kaum anrührten. Beim Essen bemerkten wir plötzlich, daß wir leise miteinander sprachen wie Verschworene, und wir mußten laut lachen. Als wir in unsere Zimmer gingen – Pascual und Javier hatten eigentlich noch am gleichen Tag, direkt nach der Trauung, nach Lima zurückgewollt, aber da alles ganz anders gekommen war, blieben sie, und um Geld zu sparen, nahmen sie ein

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