Tante Julia und der Kunstschreiber
Doppelzimmer –, sahen wir ein halbes Dutzend Kerle in den Speisesaal kommen, einige mit Stiefeln und Reithosen, und laut nach Bier schreien. Mit ihren versoffenen Stimmen, ihrem lauten Gelächter, ihrem Gläserklirren, ihren dummen Witzen und ihren groben Trinksprüchen und später mit ihrem Rülpsen und Spucken waren sie die Hintergrundsmusik unserer Hoch zeits nacht, Trotz der bürgermeisterlichen Enttäuschungen des Tages war es eine leidenschaftliche und schöne Hochzeitsnacht, in der wir uns in jenem alten Bett, das unter unseren Küssen jaulte wie eine Katze und sicherlich viele Flöhe hatte, mehrmals mit einem Feuer liebten, das immer wieder angefacht wurde, und uns sagten, daß wir uns liebten, und daß wir uns niemals belügen, uns niemals betrügen noch jemals trennen würden, während unsere Hände und Lippen sich kennen und genießen lernten. Als man an unsere Tür klopfte – wir hatten darum gebeten, daß man uns um 7 Uhr wecke –, waren die Betrunkenen gerade still geworden, und wir hatten die Augen noch immer offen, lagen nackt und ineinander verschlungen auf der Decke mit den grünen Rhomben und waren in eine berauschende Schläfrigkeit versunken und sahen uns voller Wohlgefallen an. Das Waschen im Gemeinschaftsbad des Hotels Sudamericano war ein Unternehmen. Die Dusche schien niemals benutzt worden zu sein; aus dem zugesetzten Duschkopf kamen Wasserstrahlen in alle Richtungen, nur nicht in die des Duschenden, und man mußte erst eine ganze Weile schmutziges Wasser ablaufen lassen, bis das Wasser sauber herauskam. Handtücher gab es keine, nur einen schmutzigen Lappen für die Hände, so daß wir uns mit dem Bettlaken abtrocknen mußten. Aber wir waren glücklich und erregt, und die Unannehmlichkeiten belustigten uns. Im Speisesaal trafen wir Javier und Pascual schon fertig angezogen, gelb vor Müdigkeit und voller Ekel den katastrophalen Zustand betrachtend, in dem die Betrunkenen vom Vorabend das Lokal zurückgelassen hatten: zerbrochene Gläser, Zigarrenstummel, Erbrochenes und Ausgespucktes, über das jemand eimerweise Sägespäne ausschüttete, es stank wie die Pest. Wir tranken unseren Milchkaffee in einer kleinen Bar, von der aus man die hohen Bäume der Plaza sehen konnte. Es war ungewohnt, wenn man aus dem grauen Nebel von Lima kam, diesen Morgen mit kräftiger Sonne und klarem Himmel zu erleben. Als wir in das Hotel zurückgingen, wartete der Chauffeur schon auf uns.
Auf der Fahrt nach Grocio Prado, eine staubige Strecke, die von Wein- und Baumwollfeldern gesäumt war und von der aus man in der Ferne hinter der Wüste den dunklen Horizont der Kordilleren sehen konnte, redete der Chauffeur in einer Geschwätzigkeit, die sich von unserem Schweigen abhob, mit Händen und Füßen von der Seligen Melchorita. Sie gab alles, was sie hatte, den Armen, pflegte die Kranken und die Alten, tröstete die, die litten. Schon zu Lebzeiten war sie so berühmt gewesen, daß die Menschen aus allen Dörfern des Distrikts demütig hergekommen waren, um zu ihr zu beten. Er berichtete uns von einigen ihrer Wunder. Sie hatte Sterbende und unheilbar Kranke gerettet, hatte mit den Heiligen, die ihr erschienen waren, gesprochen, Gott gesehen und in einem Stein eine Rose erblühen lassen, die noch erhalten war.
»Sie ist populärer als die kleine Selige von Humay und der Herr von Luren. Man braucht nur mitanzusehn, wie viele Menschen zu ihrer Einsiedelei und zu ihrer Prozession kommen«, sagte er. »Es ist ungerecht, daß sie noch nicht heiliggesprochen ist. Sie sind doch aus Lima, Sie sollten sich um die Sache kümmern. Das ist nur recht und billig, glauben Sie mir.« Als wir schließlich, von Kopf bis Fuß verstaubt, auf dem weiten, quadratischen, baumlosen Platz von Grocio Prado ankamen, lernten wir die Beliebtheit der Melchorita kennen. Scharen kleiner Kinder und Frauen umringten das Auto, schrien und machten uns Zeichen, sie wollten uns die Einsiedelei zeigen, das Haus, wo sie gewohnt hatte, den Ort, wo sie gestorben war, wo sie Wunder gewirkt, wo man sie beerdigt hatte, und man bot uns Heiligenbildchen, Gebete, Skapuliere und Medaillen mit der Figur der Seligen an. Der Chauffeur mußte sie erst davon überzeugen, daß wir keine Pilger und auch keine Touristen waren, damit sie uns in Frieden ließen.
Das Rathaus, ein Lehmgebäude mit einem Blechdach, dämmerte klein und sehr ärmlich an einer Seite des Platzes vor sich hin. Es war geschlossen.
»Mein Gevatter wird nicht lange auf sich warten lassen«,
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