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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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davon abzulenken. Diesen Kampf hatte er vor vierzig Jahren begonnen, und sein Ziel war die Ausrottung sämtlicher Nagetiere auf dem nationalen Territorium.
    Den Grund dieser fixen Idee kannten weder seine Bekannten noch seine Frau oder seine vier Kinder. Don Federico Téllez Unzâtegui sprach nicht darüber, vergaß ihn jedoch nie: Tag und Nacht kehrte er in sein Gedächtnis zurück, ein hartnäckiger Albtraum, aus dem er neue Kräfte, frischen Haß zog, um diese Schlacht weiterzuführen, die einige närrisch, andere abstoßend und die meisten geschäftstüchtig fanden. Jetzt, während er auf den Parkplatz ging – mit einem Adlerblick sah er, daß der, Dodge gewaschen worden war –, den Wagen anspringen ließ und zwei Minuten wartete (nach der Uhr), bis der Motor warm gelaufen war, zogen seine Gedanken wieder einmal – Schmetterlinge, die um das Licht flattern, an dem sie sich die Flügel verbrennen – in die Zeit, in den Raum, zu dem Urwalddorf seiner Kindheit zurück und zu dem Grauen, das sein Schicksal geschmiedet hatte.
    Es hatte sich in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts zugetragen, als Tingo Maria kaum ein Kreuz auf der Landkarte war, eine Lichtung mit Hütten, die vom dichten Dschungel umgeben waren. Gelegentlich kamen nach unendlichen Strapazen Abenteurer bis hierher, die das Häusermeer mit der Absicht verlassen hatten, den Urwald zu erobern. So kam auch der Ingenieur Hildebrando Téllez in diese Gegend, mit seiner jungen Frau (in deren Adern, wie ihr Name Mayte und ihr Nachname Unzâtegui andeuten, das blaue Blut der Basken floß) und dem kleinen Sohn Federico. Der Ingenieur träumte von grandiosen Projekten. Er wollte Bäume fällen und Edelhölzer für den Wohnungs- und Möbelbau der Wohlhabenden exportieren, Ananas, Avocado, Melone, Guanäbana und Lücuma anbauen für die raffinierten Gaumen der Welt und mit der Zeit einen Schiffsverkehr über die Flüsse des Amazonas einrichten. Aber Götter und Menschen machten Asche aus seinem Feuer. Naturkatastrophen – Regen, Plagen, Über schwem mungen – und die menschlichen Unzulänglich keiten – Arbeitskräftemangel, Faulheit und Dummheit bei denen, die arbeiten konnten, Alkohol, Geldmangel – liquidierten nacheinander die Träume des Pioniers, der zwei Jahre nach seiner Ankunft in Tingo Maria seinen Lebensunterhalt bescheiden mit dem Anbau von Süß kartoffeln flußaufwärts am Pendencia verdiente. Dort, in einer Hütte aus Palmenstämmen, fraßen in einer warmen Nacht die Ratten die neugeborene Maria Téllez Unzâtegui in ihrer Wiege ohne Moskitonetz bei lebendigem Leibe auf.
    Das geschah auf einfache und fürchterliche Weise. Vater und Mutter waren Paten bei einer Taufe und verbrachten die Nacht bei den bekannten Festlichkeiten am anderen Flußufer. Zurückgeblieben war der Vormann, der mit den letzten beiden Landarbeitern eine Reisighütte bewohnte, weit entfernt von der Hütte des Patrons, in der Federico und seine Schwester schliefen. Aber der Junge pflegte in der heißen Zeit seinen Strohsack ans Ufer des Pendencia zu bringen, wo er, vom Rauschen des Wassers eingelullt, schlief. Das hatte er auch in dieser Nacht getan (und sollte es sich sein ganzes Leben lang vorwerfen). Im Mondlicht badete er, legte sich hin und schlief ein. Im Traum kam es ihm vor, als hörte er das Mädchen weinen. Es war nicht lange oder nicht laut genug, um ihn zu wecken. Im Morgengrauen spürte er ein paar scharfe Zähnchen an den Füßen. Er öffnete die Augen und glaubte fast zu sterben, oder besser, schon gestorben und in der Hölle zu sein: Dutzende von Ratten liefen stolpernd, sich stoßend, übereinander springend um ihn herum und fraßen alles, was sie erreichen konnten. Er sprang von seinem Strohsack, nahm einen Stock, und schreiend gelang es ihm schließlich, den Vormann und die Landarbeiter herbeizurufen. Alle zusammen verjagten sie mit Fackeln, Knüppeln und Fußtritten die Eindringlinge. Aber als sie in die Hütte kamen, war von dem Mädchen – Festschmaus der Hungrigen – nur noch ein Häufchen Knochen übrig geblieben. Die zwei Minuten waren um, und Don Federico Téllez Unzâtegui fuhr los. Er fuhr in einer Autoschlange über die Avenida Tacna, bog in die Wilson und in die Arequipa ein und fuhr in Richtung Barranco, wo ihn sein Mittagessen erwartete. Wenn er an einer Ampel hielt, schloß er die Augen und bekam wie immer, wenn er an jenen Morgen des Grauens dachte, ein sauer aufschäumendes Gefühl. Denn, wie das Sprichwort sagt: »Ein Unglück kommt

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