Tante Julia und der Kunstschreiber
Buße ein Dienst für die Gemeinde, der minimal entlohnt wurde (aber eins kommt zum anderen). Man rief den Jungen auf benachbarte und entfernte Höfe, sobald es Anzeichen für eine Invasion gab, und er – Fleiß einer Ameise, die alles vollbringt – säuberte sie in wenigen Tagen. Selbst aus Tingo Maria begann man seine Dienste in Hütten, Häusern, Büros zu erbitten, und der Junge hatte seinen großen Augenblick, als der Hauptmann der Guar-dia Civil ihm auftrug, die von Ratten besetzte Polizeiwache zu säubern. Alles Geld, das er bekam, gab er für die Herstellung neuer Fallen aus, um das auszudehnen, was die Naiven für seine Perversion oder sein Geschäft hielten. Als der ehemalige Ingenieurin das sinnliche Gestrüpp der »Schlafenden Schönen« zog, begann Federico, der die Schule verlassen hatte, die scharfe Waffe der Falle durch eine andere, wirksamere, nämlich durch Gift zu unterstützen.
Seine Arbeit erlaubte es ihm, sich in einem Alter seinen Lebensunterhalt zu verdienen, in dem andere Kinder noch mit dem Kreisel spielen. Sie machte aus ihm aber auch einen Aussätzigen. Man rief ihn, wenn er die flinken Tiere vernichten sollte, aber niemals wurde er zu Tisch gebeten, niemals sagte man ihm ein freundliches Wort. Wenn er auch darunter litt, so ließ er doch nicht zu, daß man es bemerkte, und man hätte beinahe sagen können, der Abscheu seiner Mitbürger erfreute ihn. Er war ein menschenscheuer, wortkarger Junge, von dem niemand behaupten konnte, er habe ihn jemals zum Lachen gebracht oder ihn einmal lachen sehen, und dessen einzige Leidenschaft das Töten von Ungeziefer zu sein schien. Er kassierte sehr bescheiden für seine Arbeit, machte aber auch Graus-Aktionen in den Häusern armer Leute, bei denen er mit seiner Sammlung von Fallen und seinen Giftphiolen erschien, sobald er erfuhr, daß der Feind sich dort niedergelassen hatte. Zur Tötung der Bleigrauen, einer Technik, die der Junge unermüdlich verfeinerte, kam das Problem hinzu, die Kadaver zu vernichten. Das widerte die Familien, Hausfrauen oder Dienstmädchen am meisten an. Federico erweiterte darum seinen Betrieb und brachte dem Dorftrottel, einem Buckligen mit schielenden Augen, der bei den Siervas de San José lebte, gegen Verpflegung bei, die Reste der Hingerichteten in einen Sack zu sammeln und hinter dem Coliseo Abat zu verbrennen oder sie den Hunden, Katzen, Schweinen und Geiern von Tingo Maria als Mahl vorzuwerfen.
Wieviel Zeit war seither vergangen! An der Ampel von Javier Prado sagte sich Don Federico Téllez Unzâtegui, er habe es doch weit gebracht, seit er als Jüngling – der Dorfidiot immer hinter ihm her – von früh bis spät die schlammigen Straßen von Tingo Maria abgelaufen und fachmännisch den Krieg gegen Marias Mörder geführt hatte. Er war damals ein Junge gewesen, der nur die Kleider hatte, die er auf dem Leib trug, und gerade noch einen Helfer. Fünfunddreißig Jahre später leitete er einen technisch-kommerziellen Betrieb, der seine Arme nach allen Städten Perus ausstreckte, zu dem fünfzehn Lastwagen und achtundsiebzig Fachleute im Ausräuchern, Giftmischen und Fallenstellen gehörten. Sie arbeiteten an der Front – Straßen, Häuser und Felder des Landes –, mußten den Feind aufspüren, stellen und ausrotten und erhielten ihre Befehle, ihre Unterstützung und logistische Hilfeleistung vom Generalstab (die sechs Technokraten, die gerade zum Mittagessen gegangen waren), dem er vorstand. Aber außer dieser Besatzung waren an dem Kreuzzug noch zwei Laboratorien beteiligt, mit denen Don Federico Verträge abgeschlossen hatte (praktisch waren es Subventionen), damit ständig an neuen Giften gearbeitet werde, da der Feind die wunderbare Fähigkeit der Immunisierung besaß. Nach zwei oder drei Großaktionen waren die Gifte veraltet, waren sie ein Fressen für die, die sie töten sollten. Außerdem hatte Don Federico – der in diesem Augenblick, als die Ampel Grün zeigte, den ersten Gang einlegte und seine Reise zu den Stadtvierteln am Meer fortsetzte – ein Stipendium der »Nagetier-Vernichtungs-AG« eingerichtet, das jedes Jahr einen gerade examinierten Chemiker an die Universität von Baton Rouge schickte, wo er sich auf Rattengifte spezialisieren sollte. Genau das – die Wissenschaft in den Dienst seiner Religion zu stellen – war es, was Don Federico Téllez Unzâtegui vor zwanzig Jahren dazu veranlaßt hatte, sich zu verheiraten. Er war schließlich und endlich auch nur ein Mensch, und eines Tages hatte in
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