Tante Julia und der Kunstschreiber
Laster seiner Gattin nicht sühnte, aber doch verzeihlich machte. Wenn ihre Gelüste stärker waren als ihr Wille zum Gehorsam, verschlang sie vor seinen Augen ihr Beefsteak mit Zwiebeln, den Stockfisch mit Pfeffersauce, den Apfelkuchen mit Schlagsahne, knallrot vor Scham und von vornherein der folgenden Strafe ergeben. Niemals hatte sie gegen die Sanktionen protestiert. Wenn Don Federico ihr (wegen eines Steaks oder einer Tafel Schokolade) für drei Tage verbot zu sprechen, knebelte sie sich selbst, um nicht einmal im Schlaf dagegen zu verstoßen; und wenn die Strafe zwanzig Schläge aufs Hinterteil war, beeilte sie sich, das Leibchen aufzuschnallen und Arnika bereit zu haben.
Nein, Don Federico Téllez Unzâtegui sagte sich, während er einen zerstreuten Blick auf das Grau (eine Farbe, die er haßte) des Pazifischen Ozeans warf, über den Malecôn von Miraflores hinweg, den sein Sedán gerade erklommen hatte, daß Dona Zoila ihn alles in allem nicht enttäuscht hatte. Der große Reinfall seines Lebens waren seine Kinder. Welch ein Unterschied zwischen der kämpferischen Avantgarde der Fürsten der Ausrottung, von denen er geträumt hatte, und diesen vier Erben, mit denen ihn Gott und die Schlemmerin gestraft hatten. Zuerst einmal waren ihm nur zwei Söhne geboren worden. Ein grober, unvorhergesehener Schlag. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, Dona Zoila könne Töchter gebären. Die erste war eine Enttäuschung, etwas, was man dem Zufall ankreiden konnte. Aber als die vierte Schwangerschaft dann wieder ein Wesen ohne Phallus und sichtbare Testikel hervorbrachte, unterdrückte Don Federico drastisch, entsetzt bei dem Gedanken, er könne fortfahren, unvollständige Wesen zu produzieren, jedes weitere Gelüst nach Nachkommenschaft. (Weswegen er das Ehebett durch zwei Einzelbetten ersetzte.) Er haßte die Frauen nicht; da er jedoch weder erotoman noch sehr feurig war, wozu konnten ihm da Personen dienen, deren beste Fähigkeiten der Beischlaf und das Kochen waren? Für ihn hatte die Fortpflanzung nur einen Sinn, nämlich seinen Kreuzzug weiterzuführen. Diese Hoffnung ging in Rauch auf, als Teresa und Laura kamen, denn Don Federico gehörte nicht zu jenen Modernen, die da predigten, die Frau habe außer der Klitoris auch noch Gehirnmasse und könne gleichberechtigt mit dem Mann zusammenarbeiten. Andererseits bedrückte ihn die Möglichkeit, sein Name könne in den Schmutz gezogen werden. Wiederholten die Statistiken nicht bis zum Übelwerden, daß fünfundneunzig Prozent aller Frauen Dirnen gewesen waren, sind oder werden? Damit seine Töchter einen Platz unter den fünf Prozent Tugendhaften bekämen, hatte Don Federico ihnen das Leben nach einem ausgetüftelten System eingerichtet: keine Ausschnitte, Winter wie Sommer dunkle Strümpfe, Blusen und Pullover mit langen Ärmeln, niemals die Nägel, die Lippen, die Augen oder die Wangen schminken, keine Frisuren wie Pony, Zöpfe, Pferdeschwanz und diese ganze Ansammlung von Lockmitteln, mit denen man einen Mann angelte. Keinerlei Sport oder Vergnügungen, die die Anwesenheit von Männern bedeutete, wie an den Strand oder zu Geburtstagsfesten gehen. Aber nicht nur das Auftauchen von Mädchen unter seiner Nachkommenschaft war entmutigend gewesen. Die Knaben –Ricardo und Federico jun. – hatten die Tugenden des Vaters nicht geerbt. Sie waren weichlich, faul, liebten sterile Aktivitäten (Kaugummi und Fußball) und hatten nicht die geringste Begeisterung gezeigt, als Don Federico ihnen die Zukunft erklärte, die er für sie vorgesehen hatte. In den Ferien, wenn er sie mit den Kämpfern in der ersten Frontlinie arbeiten ließ, um sie einzuüben, zeigten sie sich unentschlossen und kamen mit notorischem Ekel auf das Schlachtfeld. Und einmal überraschte er sie, wie sie Obszönitäten gegen sein Lebenswerk flüsterten und sich eingestanden, daß sie sich ihres Vaters schämten. Selbstverständlich hatte er sie kahlgeschoren wie Verbrecher, aber dies hatte ihn nicht von dem Gefühl des Verrats befreit, das ihm dieses konspirative Gespräch verursacht hatte. Jetzt machte sich Don Federico keine Illusionen mehr, und er wußte, sobald er tot oder von den Jahren gebeugt wäre, würden Ricardo und Federico jun. sich von dem Weg, den er ihnen vorgezeichnet hatte, entfernen, den Beruf wechseln (irgendeinen pekuniär attraktiven wählen), und sein Werk würde – wie die berühmte Symphonie – unvollendet bleiben.
Genau in dieser Sekunde sah Federico Téllez Unzâtegui zu seinem
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