Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Abgeordneter und Schwager des Grafen von Rastignac. Herr Massol, Berichterstatter über die Bittschriften, wird zum Staatsrat ernannt werden und Herr Claude Vignon die Stelle des Herrn Massol übernehmen.«
    Marschall Hulot nahm seinen Bruder mit in seinen Wagen. Unterwegs wechselten beide kein Wort. Hektor war wie abgestorben, der Marschall mit sich beschäftigt wie einer, der alle seine Kräfte zusammenraffen muß, um eine erdrückende Last auszuhalten. In seinem Haus angekommen, führte er seinen Bruder wortlos mit einer befehlenden Geste in sein Arbeitszimmer. Er besaß als Geschenk Napoleons ein paar prächtige Pistolen, Versailler Arbeit. Auf dem Kasten, in dem sie aufbewahrt wurden, stand: »Vom Kaiser Napoleon dem General Hulot geschenkt.« Der Graf holte den Kasten herbei und wies darauf:
    »Hier ist dein Arzt!«
    Lisbeth, die durch die nur angelehnte Tür spioniert hatte, lief hinunter an den Wagen und befahl, im stärksten Trabe nach der Rue Plumet gefahren zu werden. Eine Viertelstunde später betrat die Baronin Hulot das Haus. Lisbeth hatte ihr die drohenden Worte des Marschalls berichtet.
    Ohne seinen Bruder anzublicken, läutete der Graf nach seinem Diener.
    »Karl, hole den Notar, den Grafen Steinbock, meine Nichte Hortense und einen Bevollmächtigten vom Staatsrentenamt! Es ist halb elf Uhr. Sie sollen um zwölf hier sein. Benutze den Wagen! Fahr wie der Teufel!«
    Mit den letzten Worten war er wieder ganz der alte Soldat von 1799.
    »Zu Befehl, Exzellenz!«
    Der Diener ging militärisch ab.
    Ohne sich auch weiterhin um den Bruder zu kümmern, entnahm der Graf einem Geheimfache seines Schreibtisches eine mit Malachit eingelegte Stahlkassette, ein Geschenk des Kaisers Alexander von Rußland. Auf Napoleons Befehl hatte Hulot dem russischen Kaiser 1813 besonders wertvolle Gegenstände überbracht, die auf dem Rückzuge von Dresden in die Hände der Franzosen gefallen waren. Er hoffte, dafür den General Vandamme ausgeliefert zu bekommen. Der Zar belohnte Hulot fürstlich, indem er ihm das Kästchen gab, und bemerkte, er hoffe, dem Kaiser der Franzosen gelegentlich die gleiche Artigkeit erweisen zu können. Aber den Marschall Vandamme ließ er nicht frei. Auf dem Deckel der über und über mit Gold beschlagenen Kassette prangte der russische Kaiseradler in Gold.
    Der Marschall zählte die in der Kassette aufbewahrten Banknoten. Hundertzweiundfünfzigtausend Francs, sein gesamtes Vermögen. Sein Gesicht zeigte Befriedigung.
    In dem Augenblick trat die Baronin ein. Sie warf sich über ihren Mann. Ihr halb wahnsinniger Blick irrte von dem Pistolenkasten zu dem Marschall.
    »Was hast du gegen deinen Bruder? Was hat dir mein Mann getan?«
    Sie sprach so fest und laut, daß der Schwerhörige sie verstand.
    »Er hat uns allen die Ehre genommen! Er hat den Staat bestohlen! Er hat mir meinen Namen verekelt! Seinetwegen wünsche ich mir den Tod herbei. Er bringt mich ins Grab. Ich habe nur noch die Kraft, die Zurückgabe des Geldes zu bewerkstelligen. Ich bin vor dem Conde der Republik gedemütigt worden, vor dem Manne, den ich über alles verehre. Ich habe ihn ohne Recht der Lüge geziehen, ihn, den Fürsten von Weißenburg! Ist das nicht genug? Das ist seine Abrechnung mit dem Vaterlande!«
    Er wischte sich eine Träne ab. Dann fuhr er fort:
    »Und nun zu seiner Familie! Er stiehlt euch das tägliche Brot. Er stiehlt euch den Ertrag der dreißigjährigen Sparsamkeit eines bedürfnislosen alten Soldaten. Dieser Schatz war für euch bestimmt ....« Er zeigte auf die Banknoten. »Er hat den Tod des alten Fischer verschuldet, eines braven Mannes, der es im Gegensatz zu ihm nicht ertragen konnte, seinen ehrlichen elsässischen Bauernnamen geschändet zu sehen. Das Schicksal hat meinem Bruder die beste aller Frauen zugeführt. Er hat sie betrogen, ihr das Leben verdorben. Er hat sie verlassen, Dirnen und Komödiantinnen zuliebe! Und das ist der, den ich wie meinen Sohn gehegt habe, der mein Stolz war! Fort, Unseliger! Weg von mir, wenn du ohne Ehre weiterleben willst! Ich habe nicht die Kraft, einen Bruder zu verfluchen, den ich so geliebt habe. Ich bin ihm gegenüber so schwach wie du, Adeline. Aber er soll mir nicht wieder vor die Augen kommen! Ich verbiete ihm, meinem Leichenbegängnis beizuwohnen und meinem Sarge zu folgen! Wenn er kein Gewissen hat, soll er sich wenigstens als Verbrecher vorkommen!«
    Der Marschall war bleich geworden und sank nach diesen feierlich gesprochenen Worten erschöpft in den Lehnstuhl

Weitere Kostenlose Bücher