Tante Lisbeth (German Edition)
überlegt?« meinte sie mit einem spöttischen Blick auf den Anwalt.
»Haben Sie in der Angelegenheit bereits etwas getan?«
»Die Geschichte dürfte fünfzigtausend Francs kosten. Werden Sie das zahlen?«
»Gewiß! Es muß vorgegangen werden! Das Weib wird meiner Familie immer feindseliger!«
»Es ist bereits vorgegangen worden!«
»Und?«
»Also die Kosten schrecken Sie nicht ab?« fragte die Alte nochmals.
»Keineswegs!«
»Die Unkosten, die wir haben, betragen nämlich allein dreiundzwanzigtausend Francs.«
Viktor machte ein einfältiges Gesicht.
»Es gilt zunächst die Kammerjungfer zu bestechen. Sie steht auf sehr vertrautem Fuße mit ihrer Herrin, die vor ihr kaum ein Geheimnis hat...«
»Ich verstehe. Bürgen Sie für den Erfolg?«
»Lassen Sie mich nur machen!«
Der Marquis Montes von Montejanos war ein Löwe der Gesellschaft; aber er galt als Sonderling. Das fashionable Paris, das Paris des Turfs und der Demimonde bewunderte die extravaganten Moden dieses exotischen Kavaliers, seine Vollblüter, seine Wagen mit Negern als Kutscher und Diener und so weiter. Sein Reichtum war stadtbekannt; er hatte bei dem berühmten Bankhause du Tillet siebenhunderttausend Francs Kredit. Doch sah man ihn stets allein. Zu den Erstaufführungen ging er ins Parkett. In keinem Hause verkehrte er regelmäßig. Mit Damen der Halbwelt zeigte er sich niemals. Sein Name ward auch nie mit dem irgendwelcher hübschen Damen der Gesellschaft zusammen genannt. Im Jockeiklub spielte er hin und wieder aus Langerweile Whist.
Kurz und gut, die böse Welt mußte sich damit begnügen, ihn ohne rechten Anlaß zu verklatschen. Oder man fand seine äußere Erscheinung komisch. Man gab ihm den Spitznamen »Kombabus«.
Eines Abends fand im »Rocher de Cancale«, dem Restaurant, wo ganz Europa dinierte, ein zu Ehren von Mademoiselle Carabinc gegebenes Abendessen statt, einer berühmten Halbweltschönheit, der damaligen Geliebten des Bankiers du Tillet. Die Tafel war im prächtigsten Zimmer und auf das verschwenderischste hergerichtet. Eine Flut von Licht tanzte um das kostbare Silbergeschirr.
Fünf Gäste stellten sich gegen sieben Uhr ein, unter ihnen Bixiou und der witzige Leon von Lora, der berühmte Marinemaler, neun andere kamen nach und nach, alles Lebemänner, Künstler, Sterne der Theater- und Halbwelt. Die schöne Carabine – eigentlich hieß sie Seraphine Sinet – machte in ihrer Eigenschaft als maitresse en titre des Gastgebers die Honneurs. Sie trug eine kostbare Toilette aus irischen Spitzen mit einem Unterkleide aus blauem golddurchwirktem Atlas. Die Spitzen waren allein so viel wert, daßman mit deren Erlös ein ganzes Dorf vier Wochen hätte ernähren können.
Nicht minder kostbar Jenny Cadine gekleidet, eine Perlenkette im Werte von hundertzwanzigtäusend Francs um den Hals und rote Kamelien in ihrem schwarzen Haar. Jede dieser Demimondänen will wie ein Pferd auf der Rennbahn für ihren Besitzer als erste durchs Ziel gehen. Nut eine einzige zeichnete sich durch eine gewisse Schlichtheit des Auftretens aus; offenbar befand sie sich erst im Anfangsstadium ihrer galanten Laufbahn. Sie trug ein weißes Kaschmirkleid mit blauen Stickereien, dazu Blumen in ihrem wundervoll goldblonden Haar. Inmitten des schreienden Luxus der anderen erschien sie wie die verschämte Bescheidenheit. Sie war aus der Normandie und noch nicht lange nach Paris verpflanzt. Eine ungemein zarte, keusch wirkende Schönheit. Sie hieß Cydalise.
Tillet brachte den Marquis Montes mit, dessen Anwesenheit Carabine besonders gewünscht hatte. Bei Tisch saß sie zwischen ihm und dem Herzog von Herouville. Cydalise war dem Brasilianer zur Linken gesetzt.
Punkt sieben wurde der erste Gang – Austern – aufgetragen, um neun Uhr der Nachtisch. Alles plauderte laut, wie eben eine kleine Gesellschaft schwatzt, nachdem man insgesamt ein halbes Hundert Flaschen verschiedener Weine getrunken hat. Es war die Auslese der soupierenden Weltstadt. Die Gemüter waren heiter, die Gesichter aber verstandeskühl, wenngleich die Augen schimmerten; nur die Lippen gingen durch, hier zum Witz, dort zur Anekdote oder zum Klatsch. Das allgemeine Tischgespräch, das wie immer in lebemännischem Milieu von den Tagesereignissen, den Börsenumtrieben, den Rennerfolgen und ähnlichem ausgegangen war, begann zu Intimitäten überzugehen. Die Unterhaltung teilte sich in Einzelplaudereien.
Auf der einen Seite der Tafel fing man an, über die Liebe zu reden.
»Berühmte Ärzte
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