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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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sie laut auf, »merkst du denn nicht, daß unsere arme Cydalise hier, das sechzehnjährige Kindchen, seit vier Wochen bis über die Ohren in dich verliebt ist? Sie ist ganz trostlos; sie hat auf eurem Feste heute nichts gegessen und getrunken, weil du dich dabei gar nicht ein bißchen um sie gekümmert hast!«
    Cydalise hielt ihr Taschentuch vor das Gesicht und schien zu weinen. Carabine fuhr fort: »Sie ist wütend auf Valerie. Am liebsten drehte sie ihr den Hals um ...«
    »Das werde ich schon selber besorgen!« knirschte der Brasilianer. {
    »Na, na!« meinte Frau Nourrisson. »Das gibt's hierzulande nicht!«
    »Ich bin nicht aus diesem Lande. Ich kümmere mich den Teufel um eure Gesetze. Wenn ihr mir die Beweise geben könnt, daß sie...«
    »Genügt der Brief noch nicht?«
    »Nein!« erklärte Montes. »An Geschriebenes glaube ich nicht, Ich muß Tatsachen sehen!«
    »Du sollst alles zu sehen bekommen, was du dir nur wünschen kannst«, sagte Carabine, »aber unter einer Bedingung...«
    »Die wäre?«
    »Sieh dir Cydalise an!«
    Auf einen Wink von Frau Nourrisson schmachtete Cydalise den Brasilianer verliebt an.
    »Willst du sie zur Geliebten haben?« fragte Carabine. »Ein Weib wie sie muß ein hübsches Haus und einen Wagen haben!« fügte die Alte hinzu.
    Montes betrachtete das wunderhübsche Geschöpf zum ersten Male näher.
    »Können Sie es bewerkstelligen, daß ich Valerie auf frischer Tat ertappe?« fragte er.
    »Ja, mit dem Grafen Steinbock! Cydalise wird Ihnen dabei helfen«, entgegnete Frau Nourrisson.
    Die verbrecherische Alte hatte längst in ihm das auf Mord gestimmte Instrument erkannt, das sie brauchte. Sie wußte, er war derartig toll, daß er gar nicht merkte, wenn man ihn leitete.
    »Cydalise ist eine Nichte von mir«, log sie. »Somit habe ich ein wenig Anteil an ihrem Schicksal... Die Sache machen wir in wenigen Minuten. Das Paradies ist nämlich ein möbliertes Zimmer, das Steinbock bei einer meiner Freundinnen gemietet hat. Valerie trinkt daselbst jetzt ihren Kaffee ... Sagen Sie, was wird das Schicksal meiner lieben Nichte sein? Nehmen Sie sie? Und bezahlen Sie ihr auch ihre Schulden?«
    »Lassen Sie mich bitte erst ausreden! Wenn Sie es bewerkstelligen können, daß ich Valerie mit dem Künstler zusammen...«
    »So wie du mit ihr zusammen sein möchtest!« ergänzte Carabine.
    »Ja! Dann nehme ich Cydalise mit...«
    »Wohin?«
    »Nach Brasilien«, antwortete der Marquis. »Sie soll meine Frau sein; aber ich muß sie allein haben ...«
    Cydalise erfaßte seine Hand, die er artig zurückzog.
    »Wenn mich Valerie betrügt, wenn sie den Crevel heiratet, wenn ich sie in Steinbocks Armen finde, dann hat sie den Tod verdient Ich werde sie vernichten, wie man einen Wurm zertritt...«
    »Und die Polizei, Verehrtester?« fragte Frau Nourrisson mit einem Hexenblick, der einen schaudern machte.
    »Und das Schwurgericht und alles, was drum und dran hängt?« fügte Carabine hinzu.
    »Sie sind ein Narr!« spottete Frau Nourrisson, um hinter die Rachepläne des Brasilianers zu kommen.
    »Einerlei! Ich bringe sie um!« wiederholte er kaltblütig. »Glauben Sie, ich wäre so dumm und kaufte Gift hier bei einem Apotheker? Ich habe mir unterwegs vom Restaurant bis hierher überlegt, auf welche Weise ich mich rächen könnte, im Falle, daß Sie gegen Valerie recht behalten. Einer meiner schwarzen Bedienten besitzt ein wirksames impfbares Gift, das eine furchtbare Erkrankung hervorruft, und das Gegengift dazu, das allerdings nur in den Tropen wirkt. Ich werde mich infizieren und Valerie anstecken. Wenn sie dann mit dem Tode kämpft, werde ich mit Ihrer Nichte bereits jenseits der Azoren sein und damit so gut wie geheilt. Ja, wir Wilden' haben seltsame Mittel! Liefern Sie mir den Beweis, und ich heirate Ihre Nichte! Wieviel Schulden hat sie?«
    »Hunderttausend Francs!« flüsterte Cydalise.
    »Wird bezahlt!«
    Der Brasilianer schnaubte förmlich vor Wut. Was ihm in die Hand geriet, zerschlug er.
    »Verehrter Brasilianer«, sagte Carabine, »der rasende Roland macht sich in einem Epos ganz vorzüglich, im Salon einer Dame wirkt er aber höchst prosaisch und – ein bißchen teuer.«
    »Seien Sie nun endlich vernünftig«, redete Frau Nourrisson zu, »und passen Sie auf! Ein Mann, der sich auf Leben und Tod rächen will, benimmt sich anders. Wenn Sie Ihre Vielgeliebte in ihrem Paradiese überrumpeln wollen, müssen Sie mit Cydalise so tun, als kämen Sie infolge eines Versehens des Dienstmädchens in das

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