Tante Lisbeth (German Edition)
sprechen nie von der Medizin«, bemerkte Josepha, »guter Adel nie vom Stammbaum, echte Künstler nie von ihren Werken! Warum sollen wir da von unserem Metier reden? Ich habe mir den Abend, an dem ich eigentlich in der Oper zu singen hatte, nicht freigeben lassen, um zu fachsimpeln! Also, meine Herrschaften, ein anderes Thema!«
»Wir plaudern doch nicht von der Liebe, sondern von der Leidenschaft«, warf ihr gegenüber eine träumerische Beauté ein, »von der Leidenschaft, an der man willenlos zugrunde geht!«
»Das ist was anderes!« meinte die Sängerin spöttisch. »Also von böhmischen Dörfern!«
»Meine Liebe zu dir ist also keine Leidenschaft?« fragte sie der Herzog leise.
»Warum nicht?« meinte die Sängerin lächelnd. »Aber ich liebe dich nicht mit der Liebe, von der da die Rede ist, mit jener Liebe, bei der einem ohne den Geliebten die ganze Welt grau erscheint. Ich habe dich gern. Ich bin dir dankbar, aber du bist mir nicht unersetzlich. Wenn du mich morgen verließest, könnte ich drei für einen Herzog haben!«
»Gibt es in Paris überhaupt die große Liebe?« fragte Leon von Lora. »Um sein Leben der Liebe widmen zu dürfen, muß man reich sein, denn die Liebe vernichtet die Arbeitsfähigkeit. Für einen Liebenden gibt es nichts in der Welt, als die geliebte Frau ...«
Montes hörte still zu.
»Schön gesagt!« meinte er und sah den Maler liebenswürdig an. »Ich trinke auf Ihr Wohl, Herr von Lora!« Er nickte ihm zu und schlürfte langsam und pedantisch den Portwein.
»Sie scheinen mir verliebt zu sein?« neckte ihn seine schöne Nachbarin Carabine. Der Maler lachte laut. Der Brasilianer verzog keine Miene. Sein Phlegma reizte die Halbweltdame. Sie wußte, wer die Geliebte ihres wortkargen Nachbars war. Aber seine stumpfsinnige Treue ärgerte sie. Ihre Spottlust regte sich. Diese Marneffe mag ihn ordentlich in ihren Klauen haben! meinte sie bei sich.
Währenddem setzte sich die Plauderei über die Liebe fort. Man stellte allerlei Theorien auf. Nur Josepha langweilte sich.
»Ihr sprecht da von Dingen, von denen ihr gar nichts versteht!« rief sie aus. »Keiner von euch hat je ein Weib wirklich geliebt! Sein ganzes Vermögen einer Frau zuliebe verschwenden, seine eigenen Kinder ruinieren, sich seine eigene Karriere verderben, seine ehrenvolle Vergangenheit schänden, das Zuchthaus streifen, Bruder und Verwandte morden und blind immer weiter an die Abgründe des Lebens rennen ... wer von euch wäre dazu imstande? Keiner! Ihr habt alle kein Herz! Auch keine hier von uns hat je geliebt: Carabine nicht, Jenny nicht, ich nicht! Aber ich habe das Weltwunder, das ich eben beschrieben habe, einmal im Leben, ein einziges Mal selber gesehen. Ich meine den Baron von Hulot. Und ich sage es laut, weil er verschollen ist und ich ihn suche.«
»Ja«, sagte Bixiou, »und das alles für diese kleine Marneffe, eine gemeine Intrigantin!«
»Sie heiratet demnächst einen Freund von mir«, warf du Tillet ein, »den dicken Crevel.,..«
»Was sie nicht hindert, ein Verhältnis mit einem Freunde von mir, dem Grafen Steinbock, zu haben ...«, fügte Leon von Lora hinzu.
Das waren drei Pistolenschüsse in des Brasilianers Herz. Er ward leichenblaß; er wollte auffahren, aber es gelang ihm nur, sich mühsam aufzurichten.
»Ihr seid Schufte!« rief er laut über die Tafel. »Wie darf man es wagen, den Namen einer anständigen Dame vor diesen Dirnen hier überhaupt zu nennen! Ihn zur Zielscheibe schlechter Witze zu machen...«
Montes wurde durch Bravorufen und Beifallklatschen unterbrochen. Die Künstler hatten damit begonnen.
»Hoch Valerie!«
»Parlamentarisch hat er sich ja nicht gerade ausgedrückt, aber kostbar ist dieser Indianer!« meinte irgend jemand laut.
»Unsern allerseitigen Dank!« scherzte Bixiou.
»Mein heißgeliebter Geschäftsfreund«, meinte du Tillet jovial, »du bist mir auf das beste empfohlen, aber deine Naivität wird mir alle meine andern Kunden vertreiben!«
»Du bist ein ernster Mann«, entgegnete ihm Montes. »Teile mir Genaueres mit!«
»Verehrtester«, lachte der Bankier, »ich habe die Ehre, dir mitzuteilen, daß ich zu Crevels Hochzeit eingeladen bin ...«
»Es ist nett von unserm lieben Kombabus, daß er die Verteidigung einer abwesenden Frau übernimmt«, sagte Josepha, indem sie feierlich aufstand und theatralisch auf den Brasilianer zuging. Mit dem Ausdrucke spöttischer Bewunderung streichelte sie leise sein Haar und schüttelte dazu den Kopf. »Ich habe gesagt, Hulot
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