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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Dabei liebt der Pariser seine Stadt über alles.
    »Da bist du ja!« rief Crevel seiner Verwandten entgegen. Ihr Anblick erregte seine Wut. »Also du bist diejenige, welche Fräulein von Hulot mit dem jungen bildhauernden Grafen zusammengekuppelt hat! Dazu hast du ihn so aufgepäppelt!«
    »Sollte dir das nicht recht sein?« erwiderte sie, indem sie Crevel scharf ansah. »Was liegt dir denn daran, eine Heirat meiner Nichte zu verhindern? Man sagt, ihre Verbindung mit dem jungen Lebas hättest du vereitelt.«
    »Du bist ein gutes Mädchen und sehr diskret«, ließ sich Crevel vernehmen, »so höre denn! Glaubst du, ich könnte dem Baron je verzeihen, daß er mir Josepha abgeknöpft hat? Wo er noch dazu aus diesem anständigen Geschöpf, das ich am Ende trotz meiner alten Tage geheiratet hätte, eine Modepuppe, eine Gauklerin, eine Theaterdirne gemacht hat! Nein, nein, niemals!«
    »Er ist doch aber ein so netter Mensch, der Herr von Hulot«, warf Lisbeth ein.
    »Jawohl, ein netter Mensch, ein sehr netter Mensch, ein zu netter Mensch!« echote Crevel. »Ich gönne ihm auch alles Gute. Aber Rache muß sein! Das geht nicht anders. Das ist nun einmal meine fixe Idee!«
    »Sollte das damit zusammenhängen, daß du nicht mehr zu Frau von Hulot kommst?«
    »Vielleicht.«
    »Aha, du hast also meiner Kusine den Hof gemacht?« Sie lachte auf. »Das habe ich doch geahnt.«
    »Sie hat mich wie einen dummen Jungen behandelt, schlimmer noch, wie einen Dienstboten. Ich möchte beinahe sagen: wie einen politischen Verbrecher. Aber ich werde schon zu meinem Ziele kommen.« Dabei ballte er die Hand und schlug sich vor die Stirn.
    »Der arme Kerl! Es wäre doch ein bißchen zu grausam, wenn ihm seine Ehefrau Hörner aufsetzte, nachdem ihn die Geliebte zum Teufel gejagt... .«
    »Wer? Josepha?« fuhr Crevel auf. »Josepha hätte ihn zum Teufel gejagt? Den Laufpaß gegeben? Abgedankt? Bravo, Josepha! Bravissimo! Du hast mich gerächt! Ich werde dir ein Paar Ohrringe mit Perlen schicken, geliebtes Exschweinchen! Das wußte ich ja noch gar nicht!«
    »Der Baron hat sich die Geschichte nicht sonderlich zu Herzen genommen«, berichtete Lisbeth.
    »Nicht möglich!« meinte Crevel. Er war im Zimmer hin und her gerannt und blieb nun stehen.
    »Hulot ist in einem gewissen Alter!« bemerkte die alte Jungfer verschmitzt.
    »Nee, nee! Ich kenne meine Pappenheimer!« entgegnete Crevel. »In dem Punkte sind wir beide Brüder. Hulot kann ohne zarte Bande nicht leben.« Bei sich fügte er hinzu: Er ist imstande, zu seiner Frau zurückzukehren. Hol mich der Teufel! Dann ist es aus mit meiner Rache... . »Du lächelst, Tante Lisbeth?« fragte er wieder laut. »Aha, du weißt irgendwas!«
    »Ich lache über deine Einfälle«, entgegnete sie. »Gewiß, meine Kusine ist noch schön genug, um jemandem den Kopf zu verdrehen. Wenn ich ein Mann wäre, verliebte ich mich in sie.«
    »Ach was! Die Katze läßt das Mausen nicht!« rief Crevel aus. »Du machst dich über mich lustig! Der Baron wird sich schon irgendwo trösten lassen.«
    Tante Lisbeth nickte.
    »Na ja! Es gibt glückliche Naturen, die sich von heute auf morgen trösten. Es wundert mich eigentlich auch gar nicht, denn eines Abends bei irgendeinem Souper hat er mir gestanden, in seiner Jugend habe er gleichzeitig immer drei Verhältnisse gehabt, um nie auf dem trocknen zu sitzen: eine auf dem Aussterbeetat, eine als Favoritin und eine aufgehende Sonne! Dazu in der Reserve noch irgendein kleines Mädchen. Sein Hirschpark! Der reine Ludwig der Fünfzehnte. Ja, ja, ein hübscher Kerl zu sein, ist zu schön! Aber nun wird er alt. Man sieht es ihm an ... Er hat wohl irgendein Ladenmädel?«
    »Bewahre!«
    »Einerlei!« fuhr Crevel fort. »Ich gäbe was drum, wenn ich ihm den neuen Gaul ausspannen könnte! Josepha konnte ich ihm nicht wieder wegkapern. Die Sorte Weiber kehrt nie zur ersten Liebe zurück. Ein Zurück in der Liebe soll's ja übrigens überhaupt nicht geben ... Kurzum, Tante Lisbeth, ich würde glatt und bar fünfzigtausend Francs spendieren, wenn ich dem Hauptkerl seine neue Geliebte wegfischen könnte, ihm beweisen, daß ich, wie ich gehe und stehe: Major der Bürgerwehr und Bürgermeister von Paris in spe, daß ich mir meine Dame nicht schlagen lasse, ohne einen Bauern von mir durchzukriegen ...«
    »Meine Lage«, bemerkte Lisbeth, »zwingt mich, alles zu sehen und nichts zu wissen. Mit mir kannst du ohne Furcht reden. Ich verrate nie ein Sterbenswörtchen von dem, was man mir anzuvertrauen

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